Als wir nach einer Reise um die Erde nach Deutschland zurückkehrten, packte uns die Angst im deutschen Straßenverkehr. Die hier praktizierte Rücksichtslosigkeit, die vielen Fahrern nicht mehr Bewegungsfreiheit als eine an Schienen gefesselte Straßenbahn erlaubt, ist anderswo kaum wiederzufinden. Andere Länder sind wesentlich flexibler oder wie die US-Bürger rücksichtsvoller und fairer.
So fällt es denn auch manchem Deutschen schwer, das Eisenschienen- Verhalten in der Ferne zu verlieren. Man kann aber als einzelner nicht ganze Völkerscharen zu deutscher Verkehrsmentalität erziehen wollen. Die Verkehrsregeln in der Fremde sind jedoch sehr schnell zu erlernen.
Gesetz Nr. 1: Der Größere hat immer recht bzw. die Vorfahrt
Gesetz Nr. 2: Man muß jederzeit auf alles gefaßt sein, weil sich jeder alles erlauben kann
Gesetz Nr. 3: Man kann, umgekehrt, auch sich selbst einiges erlauben
Gesetz Nr. 4: Gib dem anderen, wenn nötig und möglich, immer eine Chance.
Das bedeutet, daß man nie auf irgendeinem Recht bestehen sollte. Z.B. kann das Schild EINBAHNSTRASSE eine reine Deklaration sein. Ein eiliger Omnibusfahrer wird durchaus gegenteiliger Meinung sein und die Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung benutzen. Wenn Sie in der richtigen Richtung fahren, aber an dem Bus wegen zu enger Straße nicht vorbeikommen - dann werden Sie den Rückwärtsgang einlegen müssen: Gesetz Nr. 1. Das Fahren ist in diesen Ländern noch mehr Kunst und Kunststück zugleich, hält wach und kann nach kurzer Eingewöhnungszeit durchaus Spaß machen.
Neben vielen andersartigen oder neuen Verkehrszeichen gibt es ein universelles und weltweit verbreitetes: ein Stein auf der Straße. Er deutet meist eine der folgenden Möglichkeiten: Vorsicht (allgemein), Straße gesperrt wegen Erdrutsch oder Überschwemmung, Baustelle, Straße nur in Gegen-Richtung befahrbar, Loch vor oder hinter dem Stein. Der Stein kann aber auch ganz schlicht vom letzten dort parkenden LKW, der ihn als Bremsklotz benutzte, liegen geblieben sein. An Bergen läßt sich fast immer auf diese Bedeutung schließen.
Auch der Lichterbaum besonders an LKW und Bussen ist der Erwähnung wert. Lampen irgendwelcher Art am Heck unterliegen sehr häufig der strikten Mißachung. Viele LKW tragen ein einziges Bremslicht - vorne, mitten auf dem Kühler (das ist tatsächlich vorteilhaft, weil man sehen kann, ob der entgegenkommende und zum Überholen ansetzende LKW bremst und einschert). Blinklichter werden häufig eingesetzt, um dem Nachfolger die Überholmöglichkeit anzuzeigen (falls Blinker am Heck vorhanden sind). Dabei blinken Pakistaner z.B. mit dem Blinker zur Fahrbahnmitte, wenn zum Überholen frei ist, zum Fahrbandrand, wenn Gegenverkehr in Sicht ist. Also genau umgekehrt der häufig in anderen Ländern geübten Praxis.
Omnibusse kennen keine festen Haltestellen. Sobald ein Fahrgast auftaucht, tritt der Fahrer voll in die Bremse. Wenn der gerade entgegenkommende Bus auch einen Fahrgast entdeckt, hält er auch und die Straße ist blockiert.
In Pakistan kann es Ihnen jederzeit (besonders auf der Rennstrecke Peshawar - Lahore) passieren, daß Ihnen zwei oder gar drei sich überholende Omnibusse entgegenkommen. Fahren Sie runter von der Straße, nicht zuletzt deswegen scheint der breite Randstreifen angelegt zu sein. Omnibusfahrer glauben Rennfahrer höchster Qualifikation zu sein, die meisten beherrschen ihr Fahrzeug einigermaßen. Aber es gibt auch solche, die gerade anfangen, die Fahrkunst zu erlernen oder, als nächst höhere Vorbildungsstufe, Erfahrungen als Ochsenkarrenlenker auf den Omnibus übertragen. Während unseres Aufenthaltes lasen wir fast wöchentlich von Omnibusunglücken mit vielen Toten.
Wie überall auf der Welt gilt daher besonders in Pakistan: DEFENSIV FAHREN!