Von Dakhla zum Gebel Uwaynat

Die Oasen der Westlichen Wüste und die Weiße Wüste ziehen mit großem Abstand die meisten Touristen an. Tripps, die von der Oasenstraße nach Westen oder Südwesten führen, gehören schon eher in die Expeditions-Kategorie mit einem Schuss Abenteuer. Aber das Risiko ist kalkulierbar und vermutlich kaum höher als das der Anreise. Neben Autotouren werden übrigens auch Kameltripps angeboten.

In den letzten Jahren hat sich quasi eine Standardroute herausgebildet, die von den meisten Anbietern mit geringfügigen Abweichungen abgearbeitet wird. Wahrscheinlich werden in Kürze die Entdeckungen von Carlo Bergmann in diese Trips einbezogen werden, die sich aber auf die nähere Umgebung von Dakhla konzentrieren.

In der Regel fährt man auf der Asphaltstraße bis zur Oase Dakhla oder legt zuvor noch einen Abstecher zur Höhle Djara und Abu Muharik Düne ein, füllt in Mut noch einmal die Vorräte auf, trifft sich mit dem ofiziellen Begleipersonal und verlässt die Oase auf der von Mut nach Süden führenden Straße, die normalerweise für Touristen gesperrt ist. Bald zweigt man nach Nordwesten in die Wüste ab und steuert Abu Ballas an. Unterwegs lässt sich eine schöne Pause am so genannten Lama Felsen einlegen. Diese auffällige Felskonstellation, die vom ägyptisch-deutschen Reiseunternehmer Samir Lama entdeckt wurde, ist zumindest einen Fotostopp wert.

Lama-Felsen

Gar nicht allzu weit entfernt liegt Regenfeld, das entweder direkt von Dakhla oder von hier aus erreichbar ist. Gerhard Rolfs, der erste europäische Wüstenforscher in der Westlichen Wüste, hatte an dieser Stelle einen der seltenen Regen erlebt und eine kleine Steinpyramide errichtet sowie eine Flasche mit einer Notiz hinterlassen. Aber Kemal el Din, der ägyptische Prinz und Wüstenforscher, tauschte die Botschaft gegen eine eigene aus, viele Nachfahrer haben es ihm leider gleichgetan. Das ist alles.

Der Weiterweg von Regenfeld (etwa 85 km) sollte nach Abu Ballas (N24°26,7’ E27°39.03’) führen, einem auffälligen Zeugenberg in flacher Umgebung. Schon von weitem ist er durch die Steinmännchen (Alamate) auf seiner Spitze deutlich zu erkennen. Hier waren einst Wasserkrüge deponiert, von denen nur noch relativ wenige Scherben am Fuß des Hügels herumliegen. Aus ihnen lässt sich aber immer noch auf die beachtliche Größe der Krüge schließen. Noch Ende der 1990er Jahre sollen komplette Gefäße vorhanden gewesen sein. 1988 wurden sie physikalisch analysiert und auf etwa 3500-4000 Jahre Alter datiert. Ziemlich weit oben am Hügel berichten Felsgravuren aus prähistorischer Zeit.

Nun führt die Route nach Süden, die Profis unter den Fahrern suchen sich möglichst Sand als Unterlage, um Autos und Insassen einigermaßen schonend zu transportieren. Als weit entferntes Endziel wird der Gebel Uwaynat angepeilt. Unterwegs gibt es jedoch einige mehr oder weniger interessante Plätze, an denen man einen Halt einlegen kann.

Als erster Fotostopp bieten sich sogenannte Mud Pans (auch Yardang) an, die auf dem Grund ausgetrockneter Seen, den Playas, entstanden. Der Wind hat die Bodensedimente zu flossenartigen 2-3 m hohen Formen aufgebaut (auch „Mud Fins“ oder "Yardangs" genannt), ein tolles Fotomotiv, z.B. im Wadi Baqqara. Es gibt eine ganze Reihe ausgetrockneter Seen, die sich in der Nähe des nördlichen Wendekreises vom Gilf Kebir bis zum Niltal hinziehen (siehe auch Nabta Playa). Selbst in der Weißen Wüste sind Yardangs entstanden.

Ein weiteres Ziel in dieser Gegend könnte das Pseudo-Impaktkraterfeld sein. Zwischen N 23°10 bis N23°40’ und E26°50’ bis E27°35’gäbe es etwa 50 Krater für den zu besichtigen, der Interesse und Zeit hat.

In südlicher Richtung nähert man sich dem Gilf Kebir (siehe Karte), dessen Südostflanke sich auch - mit Schwierigkeiten - nördlich umfahren lässt. Dann muss man den Aqaba Pass von Norden her angehen. Aber die Süd-Route ist wesentlich einfacher und wird daher bei den meisten Trips vorgezogen.

Hier an der Südostflanke des Gilf Kebir haben sich einige Wadis tief in den Steilabfall eingegraben. Alle locken eigentlich mit sehenswerten landschaftlichen Eindrücken. Das Wadi Mashi, das nördlichste der Serie, schneidet etwa 15 km in Gebirgsstock. Im Wadi Dayyiq, dem schmalen Tal, gibt es einen Felsen aus sehr hartem Gestein, von dem die prähistorischen Vorfahren Werkzeuge wie Messer oder Pfeilspitzen abschlugen und an Ort und Stelle bearbeiteten. Nach Süden folgt das Wadi Maftuh, das Breite Wadi, das durch einen im mittleren Bereich stehenden Inselberg charakterisiert ist.

Das Wadi Bakht - das Nächste in der Reihe - bietet zusätzlich eine prähistorische Besonderheit: Folgt man dem canyonartigen Verlauf, so wird man nach etwa 20 km vom Ausgang (der bei ca. N23°13’ E26°27’ liegt) von einer gut 30 m hohen Düne aufgehalten, hinter der sich einst ein See gebildet hatte. Viele Artefakte aus Stein - hauptsächlich Pfeilspitzen und Werkzeuge - beweisen, dass hier einst Menschen lebten. Die Damm-Düne muss nach heftigen Regenfällen sogar einmal in der Mitte gebrochen sein.

Das Wadi Akhdar zweigt nach Nordwesten vom Wadi Wassa ab. Etwa 40 km von der Einmündung entfernt blockierte ebenfalls eine Sperrdüne einen engen Talabschnitt, hinter der sich Wasser sammelte. Menschliche Spuren reichen bis etwa 8000 vC zurück, wie Forschungen in den 1980er Jahren des Kölner Heinrich-Barth-Instituts ergaben. Um 3000 vC brach infolge eines Murenabgangs der Sperrdamm. Bisher wurden nur wenige Felszeichnungen entdeckt, aber viele Stein- und Keramikartefakte gefunden, die auf verschiedene Besiedlungsphasen schließen lassen.

Eight Bells Flughafen - ohne Radar, aber gut sichtbar

Eine Landmarke und ein häufig angefahrenes Ziel heißt Eight Bells, ein Militärflugplatz aus dem Zweiten Weltkrieg (N22°46,98’E26°16,20’). Er liegt im gleichnamigen Wadi, das hier einer weiten Sandebene gleicht. Namensgeber sind acht glockenartige Berge in der Nähe. Die Engländer zeichneten für die anfliegenden Piloten einen weithin sichtbaren Richtungspfeil und den Namenszug „8 Bells“ mit sandgefüllten Benzinbehältern in den Boden. Wer ein bisschen gräbt, kann auf leere Konservendosen und Patronenhülsen aus den 1940er Jahren stoßen. Es gibt noch einige Landebahnen mehr in der weiteren Umgebung, die allerdings weniger deutlich in den Sand gezeichnet sind.

An der Südspitze des Gilf Kebir formt das Wadi Wasa eine breite Rinne mit einer ganzen Reihe von Seitentälern und kleineren Inselbergen. Infolge dieser Unübersichtlichkeit kann man sich leicht verirren. Unterwegs zweigt das oben erwähnte Wadi Akhdar ab. Im Wadi Faraqh (auch Firaqh) findet man in der Höhle Magharat el Kantara Felsbilder, u.a. eine Tierherde, aber auch Jäger, die in verschiedenen Farben gemalt sind.

Auf vielen Prospekten wird das Kemal el Din Denkmal als Zwischenstopp angegeben. Almásy hatte 1933 aus Dankbarkeit dem einen Jahr zuvor verstorbenen Wüstenforscher ein Denkmal errichtet. Es handelt sich um eine einfache Steinpyramide, vor der eine Marmorplatte mit arabischer Inschrift versenkt ist, die ursprünglich auf der Spitze des Steinhaufens befestigt war. Der Text lautet "In Erinnerung seiner königlichen Hoheit, Prinz Kemal el Din Hussein, dem großen Forscher der Westlichen Wüste. Dieses Denkmal wurde in Anerkennung seiner großen Verdienste errichtet.“ Ursprünglich hatte Almásy noch eine Dose mit dem Wimpel des ägyptischen Automobilclubs und eine Inschrift hinterlassen - 1998 noch vorhanden, ist heute alles verschwunden.

An dieser Stelle ist praktisch die Südostecke des Gilf Kebir erreicht. In der Regel biegt man nun nach Südwesten ab, um in zügiger Halbtagesfahrt den Gebel Uwaynat zu erreichen. Wer darauf verzichtet, fährt am Rand des Gilf Kebir nach Nordwesten zum Wadi Sura, siehe weiter unten.

Unterwegs lässt sich ein Abstecher zu den Clayton Craters bei N25°22’ E25°24’ und N22°30' E25°54' einlegen, sie weiter oben.

Schon aus weiter Ferne taucht das Gebirgsmassiv des Gebel Uwaynat als dunkler, relativ lang gezogener Schatten am Horizont auf. Er liegt genau im Dreiländereck zwischen Ägypten, Sudan und Libyen. Der 1898 m hohe Gebirgsstock steht Regenwolken im Weg, die sich aus dem subtropischen Afrika nach Norden verirren und sich manchmal an ihm abregnen. Daher bestanden hier bereits in prähistorischer Zeit Siedlungen.

Die Wüste blüht - ein sehr seltenes Ereignis im trockensten Gebiet der Erde

Das bekannteste Wadi ist das Karkur Talh, dessen Mündung im ägyptischen Uwaynat-Teil liegt (N22°1,2’ E25°7,5’), der interessantere Bereich jedoch im Sudan. Nur ein einsames Grenzschild weist daraufhin, dass man ein anderes Land betritt. Es ist eine wunderbare Übung, in diesem überbürokratisierten Teil der Erde ohne jegliche Formalitäten die Grenze überschreiten zu können.

Grüne Akazienbäume markieren den Verlauf des Wadi. Wenn man (sehr seltenes) Glück hat, bedeckt ein grün-bunter Flor den Boden, weil es irgendwo im Gebirge geregnet hatte. Einige Reiseveranstalter schlagen ihre Zelte für zwei Nächte an einer Stelle im Tal auf und lassen die Gäste das Wadi zu Fuß erkunden. Das mag im Winter bei geringen Temperaturen erwärmend sein, aber die Entfernung zur interessanten, mit Felsbildern bedeckten Strecke beträgt etwa 10 km in einer Richtung, für das südöstliche Seitenwadi kommen noch 4 km hinzu.

Das Karkur Talh bietet tatsächlich für einen ganzen langen Tag immer wieder neue Felskunststellen mit Bildern unterschiedlichster Art. Diese sind in keinem Fall in Höhlen versteckt, wie man häufig nachlesen kann, sondern an Felswände oder –überhänge gemalt oder eingeritzt. Man benötigt also keine Taschenlampe, aber eine Kamera mit großem Speicher.

Es würde zu weit führen, hier jeden einzelnen Platz zu beschreiben. Die Bilder findet man praktisch ausschließlich an der Südseite des Wadi und im südöstlichen Seitenwadi. Die Führer wissen in der Regel, wo sie zu sehen sind. Hin und wieder muss man sich auf den Rücken legen, um die Darstellungen betrachten zu können.

Es ist ganz erstaunlich, was die Menschen der Steinzeit an diesen Wänden zum Ausdruck brachten. Überwiegend machten sie Tiere zum Thema. Da gibt es Giraffen, manchmal ganze Herden, die auf der Flucht sind, an anderer Stelle Tiere mit der typischen Fell-Zeichnung. Aber auch Strauße, Antilopen, Gazellen müssen am Uwaynat gelebt haben, damit sie hier festgehalten werden konnten. Überraschend sind die vielen Rinder, auch sie wieder mit Details, z.B. mit weißen Flecken auf dem Bauch. Bilder von Menschen bleiben in der Minderzahl, im Gegensatz zum Gilf Kebir. Mal scheint jemand eine Lanze und ein Schild zu tragen, an einem anderen Felsen tanzen ein paar Strichfiguren.

An zumindest einer Stelle (im südöstlichen Seitenwadi) blieben auf einem waagerechten Felsen kleine Vertiefungen erhalten, die offensichtlich als Farbschalen dienten. Denn die Maler stellten ihre Farbe durch Zerreiben von ockerfarbigem Sandstein vermutlich auf diesem Felsen her. Die „Felsritzer“ hatten es einfacher, sie verwendeten für ihre Zeichnungen harte, entsprechend zugespitzte Steine.

Die anderen sehenswerten Täler des Gebel Uwaynat liegen wesentlich tiefer im sudanesischen Gebiet und werden in der Regel nicht angefahren. Wer jedoch alle Bilder sehen will, für den findet sich bestimmt ein Weg.

Die Kuhherde scheint im Schatten zu stehen und wiederzukäuen...