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Jeder Pilger hat rituelle Waschungen im Fluß vorzunehmen. In tiefer Überzeugung tauchen die Menschen im Wasser unter und trinken andächtig einen Schluck vom heiligen Ganges. Daß diese Leute nicht reihenweise von Seuchen dahingerafft werden - Lepra- und Pockentote z.B. werden unverbrannt dem Fluß übergeben - scheint uns unerklärlich. Später lesen wir als Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, daß der Ganges im Laufe seiner mehrtausendjährigen Praxis hohe Selbstreinigungsmechanismen entwickelt habe.

Seit Kriegsausbruch ist die Grenze zwischen Indien und Pakistan gesperrt. In Dehli wird ein Touristen-Konvoi zusammengestellt, der angeblich am 12. März die Grenze passieren darf. Wir kommen zu spät und buchen für den nächsten Konvoi am 27. März. Bald hören wir, daß die erste Gruppe nicht die Grenze passieren durfte, sondern noch immer im Grenzgebiet feststeckt. Gerüchte jagen Gerüchte. Plötzlich taucht ein ernstzunehmendes Gerücht auf, die Grenze sei bereits am 25. März geöffnet. Zusammen mit anderen Touristen fahren wir hoffnungsvoll an die Grenze. Militär empfängt uns, kein Mensch weiß was passiert. Dann taucht ein emsiger Mann vom Verkehrsministerium auf. Nach vielem Hin und Her öffnet sich der Schlagbaum. Die Inder fertigen uns mit dem üblichen und üblich-sinnlosen bürokratischen Aufwand ab. Drei Stunden später betreten wir die pakistanische Grenzstation. In 20 Minuten haben wir alle Formalitäten erledigt - der Heimfahrt steht nichts mehr im Weg.

Nach ein paar Tagen Aufenthalt im freundlichen Kabul fahren wir zügig westwärts. In Ankara streift uns, während wir parken, ein leerer Omnibus. Bis die Polizei nach 1 1/2 Stunden eintrifft, hat der Fahrer den Bus voller Zeugen gesammelt, die alle erlebt habenwollen, daß wir den Omnibus rammten. Um wenigstens meinen Paß zurückzubekommen, muß ich vor einem Schnellrichter antreten, dort - mit geballter Faust in der Tasche - meine angebliche Schuld beschwören. Wir lassen die Tür und den Holm am Einstieg in Ankara mehr schlecht als recht für 80 DM reparieren.

Mitte April 1972 treffen wir mit gemischten Gefühlen in Deutschland ein. Spätestens am 30. September wollen wir wieder abfahren. In der Zeitung lese ich eine Stellenanzeige des Olympischen Komitees, das einen Ingenieur der Nachrichtentechnik vom 1.5. bis zum 20.9. sucht... Ich bekomme den Job, Sigrid schlüpft später auch unter die Fittiche des OK. Wir leben wie eh und je in unserem Auto, das wir auf dem Parkplatz des Organisationskomitees geparkt haben. Noch nie hatten wir so kurze Wege - sogar Fußwege - zum Büro.

Die Zeit ist angefüllt mit Hektik, Aufregungen, Spannungen. Es macht uns Spaß, weil alles unkompliziert mit viel Entscheidungsspielraum läuft. Wir erleben Atmosphäre und Tragik der Olympischen Spiele hautnah mit. Vierzehn Tage nach der Schlußveranstaltung gehen wir erneut über die Grenze Richtung Osten. Rückblickend scheint es uns, als ob wir die Reise gar nicht unterbrochen hätten. Wir hatten unkonventionelle Jobs, lebten unkonventionell und ließen unser geliebtes Auto bis auf wenige Tage nicht im Stich. Und weil wir kaum mit Ausgaben belastet waren, füllten wir unser Konto höher auf als vor der ersten Abreise.

Am 10. Oktober 1972 treffen wir wieder in Kabul ein und fühlen uns zu Hause. Am 14. Oktober findet zu Ehren des Königs - wohl zum letzten Mal, denn im kommenden Jahr wird der gute Mann abgesetzt - das Buz Kachi statt. Es ist ein wildes Reiterspiel aus alter Hunnen-Zeit. Damals kämpften zwei Reitermannschaften um den Besitz eines am Ende sicher toten Gefangenen, heute geht’s nur noch um ein totes Kalb, das in der Mitte eines riesigen Platzes liegt. Auf ein Trompetensignal hin stürmen die Reiter auf den Kadaver zu. Dort angekommen, zuckt ein Knäuel aus Pferdeleibern und Reiterrücken in einer Staubwolke hin und her. Plötzlich löst sich ein Reiter, er hält das Kalb seitlich am Pferd und reitet wie wild auf die Zuschauer los. Die ergreifen die Flucht, doch im letzten Augenblick wird der Reiter von der Horde eingeholt, einer versucht das Kalb zu entreißen, andere dreschen auf sein Pferd und ihn ein. Uns wundert’s, daß keiner die Pistole zieht und den Kalbs-Halter einfach vom Pferd schießt. Wahrscheinlich mußten die Leute vorher alle Waffen abliefern. Dieses wahrlich rauhe Spiel währt solange, bis es einem Reiter gelingt, das Kalb in einen Kreis vor der Königsloge zu werfen. In der Endphase verschwinden die Logen im Staub, Fahnenmasten stürzen um, Zuschauer gehen selbst auf den Logendächern in Deckung, dann plötzlich erlösende Stille: das Kalb liegt im Kreis. Die nächsten Mannschaften treten an.

Einen Tag später fahren wir auf abenteuerlichen Staubstraßen hinauf in den Hindukusch nach Bamyan. Riesige Buddha-Statuen kündigen in diesem wild-romantischen Hochtal vom längst vergessenen Glauben. Etwa 80 km entfernt liegen die Seen von Bandi-Amir. Der gleichnamige Fluß hat sich terassenförmig gestaut und fünf Seen gebildet. Jeder See leuchtet in einer anderen Farbe: tiefblau, grün, sogar weiß, azurblau und fast schwarz. Ein fast unwirkliches Kleinod in der Abgeschiedenheit des Hindukusch.

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