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Trotzdem bemühen wir uns, Land und Leute so gut wie nur irgend möglich kennenzulernen. Wann immer Wetter und die bescheidene Freizeit es erlauben, erforschen wir die nähere und weitere Umgebung zu Fuß, per Fahrrad oder natürlich per Auto. Es ist für uns ein ganz neues Erlebnis, den Wechsel der Jahreszeiten, Trocken- und Regenzeit an ein- und demselben Ort zu beobachten. Wir können nicht genug bestaunen, wie nach Beginn der sommerlichen Regenzeit die Natur völlig explodiert, wie sich die nackte Erde zusehends mit einer dichten, grünen Decke überzieht, wie Blumen in die Höhe schießen und sich das Land in wenigen Augenblicken fast völlig verwandelt.

In unserem eigenen Garten erleben wir, wie Bananenpflänzchen innerhalb weniger Monate zu drei Meter hohen Stauden emporwuchern, sich die Blüte entfaltet und Büschel für Büschel winzige grüne Bananen herauswachsen und reifen. Wenn wir in dieser Zeit nachts mit unserem Hund spazierengehen, liegt auf den Straßen der betörend-verführerische Duft der "Königin der Nacht", deren fast unscheinbare Blüten sich nur in der Dunkelheit öffnen.

In den Sommer 1976 fällt auch der Höhepunkt unserer Reise- Aktivitäten. Anfang Juni fliegen wir von Pakistan aus für neun Tage in die Volksrepublik China. Die Gruppenreise wird von den Pakistan International Airlines für im Land lebende Ausländer veranstaltet, die direkt von Islamabad/Rawalpindi nach Peking fliegen. Der Flug selbst ist schon ein erstes, großartiges Erlebnis: das Flugzeug muß sich vom 500 m hoch gelegenen Flughafen in Rawalpindi in einer Spirale so hoch schrauben, daß es die Himalaya-Riesen Nanga-Parbat und K2 sicher überfliegen kann. Je höher wir hinauf-spiralen, umso weiter öffnet sich der Blick auf die Himalaya-Kette, dann dreht die Maschine nach Nordost ab, ein Schneegipfel neben dem anderen liegt buchstäblich zu unseren Füßen.

Leider verbirgt sich China unter einer Wolkendecke, die erst in Peking aufreißt. Der Flughafen von Peking macht zwar einen etwas bescheidenen Eindruck, aber die Chinesen fertigen uns zügig und freundlich ab, alles ist ungeheuer sauber und ordentlich - für einen aus Pakistan kommenden Touristen eine ungewohnte Überraschung.

Die Chinesen geben sich sehr viel Mühe, ihr Land aus den verschiedensten Perspektiven zu zeigen. Man führt uns - ganz offenbar wieder voller Stolz - durch die historischen Bauten wie die Verbotene Stadt (mit deren Riesenhaftigkeit und, auf der anderen Seite, traumhaft schönen Details wir uns am liebsten eine Woche lang beschäftigt hätten), den Sonnenaltar und den Sommerpalast. Natürlich fahren wir zu der typisch chinesischen Fleißarbeit, der 6000 km langen Mauer. Aber wir besichtigen auch Schulen, Kindergärten, Fabriken, eine Komune, ein Krankenhaus und besuchen private Familien in Peking. Unser Programm beginnt pünktlich um 7.30 Uhr und endet meist nach 22 Uhr, nur die hervorragende chinesische Küche hält uns aufrecht.

Per Eisenbahn fahren wir eines Nachts im pieksauberen Schlafwagen nach Tsinan, besuchen dort ein ehemaliges buddhistisches Kloster und am Nachmittag eine Fabrik. Nachts geht es wieder per Schlafwagen weiter nach Nanking. Von dort machen wir einen zweitägigen Omnibusausflug hinaus ins Land nach Yangchow. Wir gewinnen einen Eindruck von Dörfern und von den Lebensbedingungen auf dem Land. Ein paar Tage später fliegen wir zurück nach Peking und von dort schließlich wieder nach Pakistan.

Vielleicht gerade weil wir aus einem Land der Dritten Welt nach Rotchina kamen und weil der Unterschied zwischen beiden Nachbarländern so ungeheuerlich groß ist, vielleicht waren wir deswegen umso tiefer von dem beeindruckt, was die Chinesen geleistet haben. Es beginnt schon damit, daß in Rotchina das sonst gewohnte Chaos fehlt: kein Dreck, kein Durcheinander, keine Unzuverlässigkeit. Man kann in jedem Restaurant unbesorgt essen, überall Wasser trinken, nirgendwo wird gestohlen. Zwar sind die Chinesen uniform angezogen, aber sie tragen Kleider am Leib, die nicht aus Fetzen bestehen. Es gibt keine Bettler, man sieht keine Kranken auf der Straße dahinsiechen. Die Märkte sind mit Waren zu erschwinglichen Preisen gefüllt, niemand verhungert, jeder hat ein Dach über dem Kopf. Wirtschaftlich ist Rot-China dabei, sich zu einer modernen Industriemacht emporzuschwingen.

Unabhängig von jeder ideologischen Einstellung zeigt sich für uns, daß dieser Fortschritt das Werk Maos ist. Dieser Mann hat die Gunst der Stunde erkannt und genutzt, er hat es fertig gebracht, 500 Millionen oder mehr Menschen zu motivieren, eines der damals rückständigsten Länder der Erde aus eigener Kraft umzukrempeln und eine Begeisterung für die Erneuerung des Riesen-Reiches zu entfachen, die buchstäblich Berge mit den bloßen Händen versetzte. Mao hat Traditionen und erstarrte religiöse Riten zerschlagen, er konnte auf der anderen Seite auf ein Volk bauen, das traditionell fleißig und zu gemeinsamem Handeln erzogen war. Die Frage, ob Mao in Indien ähnlich erfolgreich gewesen wäre, läßt sich kaum beantworten; zumindest hätte er es bedeutend schwerer gehabt. (Mao, dem wir all überall in Gips oder Beton oder nur im Foto begegneten, starb wenige Monate nach unserem Besuch.)

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