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Wir bleiben viel länger als wir planten in Rio. Endlich brechen wir auf nach Brasilia. Die Hauptstadt liegt gute 1300 km nordwestlich, halbwegs in der Steppe. Voller Spannung auf die weltbekannte und - kritisierte Konzeption erreichen wir die Stadt - und verlassen sie einen Tag später wieder, enttäuscht. Vielleicht gewinnt Brasilia in einigen Jahren oder Jahrzehnten an Reiz, wenn ein paar grüne Bäume gewachsen sind, und auch die Menschen die Leere verdrängen.

Wir fahren noch einmal nach Sao Paulo. Weil uns in Rio ein Tankwart mit der Hebebühne die Motoraufhängung beschädigte, suchen wir das VW-Werk auf. Auch verliert der relativ neue Motor Öl. Aus Kulanz bietet man uns nach einigem Verhandeln an, daß wir den Arbeitslohn tragen und VW das Material. Als wir abends bezahlen wollen, entläßt man uns mit den besten Empfehlungen und lehnt zu unserem Erstaunen jede Berechnung ab. Während Sigrid in einem Supermarkt einkauft, spricht mich ein Brasilianer im Auto an und fragt, ob ich nicht für ihn den Toto-Zettel ausfüllen wolle. Ich frage: "Warum?" "Sie sind doch ein Glücksvogel, das steht doch hier in der Zeitung!" antwortet er und zeigt mir die heutige Zeitung, in der ein halbseitiger Bericht jenes emsigen Mannes steht, der uns vor ein paar Wochen die Mittagsruhe raubte. Jetzt meinen wir auch das Entgegenkommen von VW zu verstehen.

Als nächstes Ziel steuern wir die Iguazu-Wasserfälle an. Sie liegen an einem Dreiländereck aus Brasilien, Argentinien und Paraguay. Bei unserer Ankunft geht die Sonne über den Fällen unter. Sie taucht die Wasserschleier, die als Gischt versprüht aus der Tiefe aufsteigen, in purpurrotes Licht. Dahinter die schwarzdunkle Wand des Dschungels. Ein überwältigendes und unvergeßliches Erlebnis. Und eines der großen Naturschauspiele: über eine sichelförmige Kante von 2,5 km Länge stürzt der Fluß in die Tiefe.

Um von Brasilien ins Nachbarland Bolivien zu kommen, müssen wir wegen nicht vorhandener oder überschwemmter Straßen durch Paraguay und Nordargentinien fahren. Zwar hätten wir uns das eigentlich gemütliche, von Herrn Stroessner streng regierte Land sowieso angesehen, aber der Umweg durch Nordargentinien kostet uns 2500 km.

Dort, ein Stück hinter Salta, beginnt die Straße stetig zu steigen. Nach einer Tagesreise haben wir uns in 3500 m Höhe der Anden- Gebirgswelt hinaufgeschraubt, eine Höhe, auf der wir uns viele Wochen weiterbewegen werden.Aber auch an ein zweites Kriterium der künftigen Verhältnisse gewöhnen wir uns: nicht asphaltierte Straßen oder gar pistenartige Strecken. In Bolivien hört dann jeder Verkehr fast auf. An einem Tag treffen wir nur 4 Lastwagen, müssen aber zweiundfünzig Mal Flüsse und Bäche durchqueren. Streckenweise gehen Weg und Flußbett ineinander über. Solange der Fluß halbwegs ausgetrocknet ist, läßt sich gegen diese doppelte Nutzung nicht viel sagen. In der Regenzeit jedoch fällt jeder Autoverkehr aus.

Über Potosi, das einst zu den reichsten Städten zählte, weil es an einem halbwegs aus Silber bestehenden Berg gebaut war, fahren wir nach La Paz. Die Hauptstadt von Bolivien liegt in einer Talsenke, aber 4000 m über dem Meeresspiegel. Steile Straßen führen von der Hochebene hinunter in die Stadt. Ich habe Angst, ob wir jemals wieder hinauf kommen, weil dem Motor in dieser Höhe gute 40 % Leistung fehlen. Wir starten spät abends zu einer Probefahrt, und tatsächlich, mit der letzten Kraft schaffen wir es. La Paz gehört zu den ärmsten Hauptstädten Lateinamerikas. Es scheint uns, als ob ganze Stadtviertel nur Marktviertel sind, wo die Indios ein paar Tomaten oder eine Handvoll Kartoffeln zum Kauf anbieten, und auf den Käufer müssen sie vielleicht einen ganzen Tag lang warten.

Wir fahren weiter zum Titicaca-See. Es ist der größte See in dieser Höhe, uns kommt er schon wie ein Meer vor. In Puno mieten wir ein Boot und fahren hinaus. Der See liegt bewegungslos wie Blei, im sauberen Wasser sehen wir Fische flüchten, die Luft in dieser Höhe ist ganz klar, kein Dunstschleier trübt den Blick auf die schneebedeckten Berge in der Ferne. Wirbesuchen die Urdu-Indianer, die im kilometerbreiten Schilfgürtel des Sees leben. Sie reißen das Schilf aus, werfen soviel davon ins Wasser, daß tragfähige Inseln entstehen, auf denen sie ihre Hütten bauen, Schilfhütten natürlich. Wenn sie Hunger haben, essen sie - die Wurzeln vom Schilf oder sie fahren in Schilfbooten hinaus zum Fischen. Viele der zumeist gichtigen Leute betreten nie oder nur ungern Festland, weil sie auf hartem Boden nicht gehen können.

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