Beitragsseiten

 

Wir fahren hinaus aufs Land. Über Kamakura,den Hakone-Park am Fujijama, die Perlenzüchter-Insel Toba, über Ise und Nara und Kyoto erreichen wir schließlich Hiroshima. Japan zieht uns von der Landschaft und der alten kulurellen Tradition her so an, daß wir im Zug nach Hiroshima beschließen, in Singapore unser Auto aufs Schiff nach Japan zu laden und ein paar Monate in diesem Land zu leben.

Wir kommen gegen Mittag in Hiroshima an. Zuerst buchen wir ein Hotel und fahren dann hinaus zum Friedenspark. Hier explodierte 1945 die erste Atombombe. Im Museum, das den sekundenschnellen Untergang der Stadt dokumentiert, prägt sich unauslöschlich ein Bild ein. Auf einer Treppenstufe hatte ein Mensch gesessen. Die gewaltige Hitze verdampfte ihn förmlich. Der Schatten seines Umrisses brannte sich dunkel in die Marmorstufe ein.

Tief deprimiert verlassen wir den Ort des Grauens. Schweigend fahren wir am späten Nachmittag hinaus zur Insel Miyajima. Dort steht ein Shinto-Schrein im seichten Wasser einer Bucht. Wir haben Pech, es ist Ebbe und das Bauwerk ragt auf grauen Pfählen aus dem nassen Sand. Wir schauen den trotzdem schönen Schrein an. Zum Schluß schlage ich Sigrid einen Abendspaziergang unten am Strand vor.

Ich springe vom Tempel hinunter in den Sand. Sigrid springt hinterher. Beim Aufkommen sackt ihr linker Fuß in den feuchten Sand ein, sie knickt um. Ich werde nie das laute, dumpfe Knacken vergessen, als ihr Bein bricht.

Im ersten Augenblick wollen wir die Wahrheit nicht glauben. Aber Sigrid kann nicht auftreten. Ich klettere zurück in den Tempel, frage den Priester um Hilfe. In der Nähe wohnt ein Arzt, der gerade einen Gartenstuhl anstreicht. Er fragt, ob ich Amerikaner sei. Erst als ich verneine, unterbricht er seine Arbeit und eilt mit zu Sigrid.

Sie liegt schmerzverkrümmt im feucht-kalten Sand. Der Arzt stellt den Bruch fest und bandagiert das Bein notdürftig. Er bestellt einen Krankenwagen. Zwei Männer laufen mit einer Tragbahre über den Sand. Sie heben Sigrid auf die für Japaner gebaute Liege. Obwohl wir nicht groß sind, hängen Sigrids Kopf auf der einen Seite und, schlimmer noch, die Füße auf der anderen herunter.

Die beiden Männer tragen sie hinüber zum Krankenwagen auf der Straße. Es ist ein umgebauter Personenwagen, in den sie die Tragbahre hineinschieben. Schnell wollen sie die Tür zuschlagen, Sigrid schreit, daß ihr Fuß noch draußen sei. Auch der Wagen ist zu kurz. Der Fahrersitz muß ganz weit nach vorn gestellt werden, erst dann paßt Sigrid ganz ins Auto. Eine Stunde dauert die Fahrt zurück nach Hiroshima.

Wir halten vor einem Krankenhaus, das angeblich das beste der Stadt sein soll. Sigrid wird auf einen Röntgentisch getragen. Die Aufnahme zeigt zweifelsfrei: Schienbein, Wadenbein und ein Stück vom Fußgelenk sind gebrochen. Der Arzt zeigt uns das, aber damit hört auch schon die Verständigung auf. Sigrid kommt in ein Zimmer im zweiten Stock, aber wieder wird sie von kleinen Japanern auf einer wieder zu kurzen Bahre hinauf getragen. Ein Lift existiert nicht. In dem Zimmer liegen fünf andere Frauen. Jede hat noch - es ist inzwischen 22 Uhr - Besuch. Mindestens drei Fernsehgeräte laufen. Eine Dame unterhält sich mit ihrem Papagei.

Der Arzt holt sich ein Lexikon und gibt uns zu verstehen, daß übermorgen ein Spezialist kommen und sich um das Bein kümmern werde. Damit enden seine Bemühungen. Das Bein ist weder geschient noch irgendwie fixiert. Niemand kümmert sich um Sigrid. Nach einer Weile ziehen sich die Besucher, offenbar die Ehemänner der Patientinnen aus und legen sich auf eine Reisstrohpritsche, die unter dem Patientenbett steht. Wir bemerken das mit Verwunderung, warten auch vergeblich oder zu lange auf Hilfe der Schwester.

Gegen Mitternacht fahre ich zurück ins Hotel: für eine schlaflose Nacht mit der fatalen Einsicht, daß eine winzige Fehlentscheidung, ein nur sekundenlanges Geschehen unsere gesamte Reise-Zukunft umkrempeln wird. Morgens im Krankenhaus sagt Sigrid, daß sich immer noch keine Schwester richtig um sie kümmert. Ich laufe nervös von Institution zu Institution auf der Suche nach einem englisch sprechenden Menschen. Durch Zufall werde ich mittags an ein freundliches Mädchen weitervermittelt, das fließend englisch spricht. Sie kommt mit ins Krankenhaus und klärt uns auf: es ist üblich, daß sämtliche Handreichungen von Angehörigen der Patienten erledigt werden. Schwestern sind nur für die medizinische Betreuung zuständig. Ich ziehe also wie auch die japanischen Angehörigen ins Krankenzimmer und richte mich unter dem Bett meiner Frau zwischen den beiden Rucksäcken und der Kameratasche häuslich ein.

Ratschläge, Informationen, Tips

Beschreibung, Ausbau-Anleitung, Tricks