Führung zu den Monumenten von Sakkara

- Protokoll eines 1989 gesprochenen Textes für eine Tonführung von Sylvia Schoske und Dietrich Wildung -

 

Sie sind aus Kairo gekommen, vorbei an den Pyramiden von Giseh, wo um 2500 vC die Könige der 4. Dynastie mit ihren riesigen Grabbauten eines der sieben Weltwunder geschaffen haben. Vorbei am Pyramidenfeld von Abusir, wo 1 1/2 Jahrhunderte später die Pharaonen der 5. Dynastie ihre Pyramidengräber errichteten. Als Sie am Tickethäuschen ihre Eintrittskarte erwarben, hatten Sie bereits die Reste eines Tempels mit einer einsamen Palmsäule vor sich.

Die Asphaltstraße führt Sie dann hinauf aufs Wüstenplateau, rechts unten das fruchtbare Niltal, die Welt der Lebenden, links oben die Wüste, das Reich der Toten. Nach einer Linkskurve sehen Sie schon unser erstes Ziel, die Stufenpyramide. Die Straße endet mit einem Parkplatz vor dem Eingang zum Pyramidenbezirk. Gehen Sie auf das Tor in der Umfassungsmauer zu und ersteigen Sie zunächst den Schutthügel vor dem Tor (Plan Nr. 1), ein idealer Aussichtspunkt für einen ersten Überblick über das Gesamtareal.

Rechts von der Stufenpyramide im Norden sehen Sie bei klarem Wetter die Skyline vom fast 20 km entfernten Kairo. Im Osten sind jenseits des Niltals die Berge des Mokkatam-Gebirges und weiter nach Süden die rauchenden Schlote der Industrieanlagen von Heluan zu erkennen. Direkt südlich von Sakkara erheben sich die Pyramiden von Dashur, ganz deutlich die Knickpyramide mit ihren verschiedenen Neigungswinkeln und die flache rote Pyramide, um 2600 vC in der Zeit des Königs Snofru - am Anfang der 4. Dynastie - unmittelbar nach der Stufenpyramide errichtet; Zwischenformen auf dem Weg zur klassischen Pyramide von Giseh.

 

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Djoser Pyramide

Wenden wir uns wieder um zur Stufenpyramide selbst. König Djoser hat sie von seinem Architekten Imhotep um 2650 vC als Grabmal errichten lassen, als den ersten monumentalen Steinbau Ägyptens. Aber Sie sehen ja viel mehr als nur eine Pyramide. Sie sehen einen vielgliedrigen Architekturkomplex. Um ihn in den Griff zu bekommen, verlassen wir unseren Aussichtshügel und gehen am Tor in der Umfassungsmauer vorbei bis an die Südostecke der Mauer (Plan Nr. 2), so daß wir mit einem Blick ihre Süd- und Ostseite erfassen können. 277 m breit und 544 m lang umzieht die Mauer als riesiges Rechteck den ganzen Pyramidenkomplex. Ihre bastionsähnlichen Vor- und Rücksprünge sind eine in Stein übertragene Nachahmung von Lehmziegelarchitektur, wahrscheinlich die Nachbildung der Umfassungsmauer des königlichen Palastes drunten im Tal in der Residenzstadt Memphis, um dem verstorbenen König in alle Ewigkeit seinen Herrschaftssitz zur Verfügung zu halten. Nur ein einziges Tor führt in den riesigen Komplex, den die Mauer umschließt. Gehen Sie zu diesem vor Ihnen liegenden Tor und durch den Tordurchgang hindurch (Plan Nr. 3).

Wenn Sie sich zurück zum Eingang umdrehen, dann sehen Sie beim Blick nach oben eine eigenartige Deckenkonstruktion. Nebeneinander liegen halbrunde Deckbalken. Sie ahmen Palmstämme nach, mit denen in der Lehmziegelarchitektur des Königspalastes Türdurchgänge und Räume eingedeckt waren. Dieser Grundgedanke des Architekten von Sakkara, normale Architektur aus Lehmziegeln, Holz und Matten für die Ewigkeit in Stein umzusetzen, begegnet uns gleich wieder, wenn wir unmittelbar nach dem Türdurchgang rechts und links schräg gestellte Wände aus Kalkstein sehen, die sich bei genauerer Betrachtung als Nachbildung von schräg sich öffnenden Türflügeln erweisen. Die Türangeln am oberen und unteren Ende der Türe sind beiderseits gut zu erkennen. Beim Weiterweg durch die nun anschließende Säulenhalle (Plan Nr. 4) liefert uns dieser Grundgedanke wiederum den Schlüssel zum Verständnis der eigenartigen Formen. Die Halbsäulen, durch Zungenmauern mit den Längswänden verbunden, ahmen Bündel von Pflanzenstängeln nach, die in der Lehmziegelarchitektur die leichten Dachkonstruktionen aus Binsengeflecht trugen. In den Nischen der Kolonnade waren ursprünglich Statuenm des Königs Djoser aufgestellt, auf deren einer - ihre Basis steht heute im Museum von Kairo - sich der Architekt Imhotep in einer Art Künstlersignatur verewigt hat.

Beim Verlassen der Kolonnade (Plan Nr. 5) öffnet sich beim Betreten des Großen Hofes wiederum eine schräggestellte Tür. Sogar die Bohlen, die die Türbretter der in Stein imitierten Holztür zusammenhielten, sind auf der Rückseite der Kalksteinplatte angegeben. Aber schon hat die Pyramide unseren Blick auf sich gezogen. Mit sechs Stufen erhebt sie sich zu einer Höhe von etwa 60 m, eine Himmelsleiter, über die der verstorbene König zu den Sternen aufsteigen wollte und gleichzeitig auch ein monumentaler Grabhügel, in dessen Inneren der König tief unter der Erde in seiner Sargkammer ruhte. Die Baugeschichte dieses ältesten Steinbaus Ägyptens läßt sich leicht am Bauwerk selbst ablesen. Wir brauchen nur ganz nahe an die Pyramide heranzugehen (Pan Nr. 6). Sowohl im linken Drittel der Südseite als auch ganz rechts nahe der Südostecke sehen Sie sehr deutlich steil schräg ansteigende Steinlagen, die ursprünglich die Außenflächen eines mehrmals erweiterten Kernbaus bildeten, dessen Obertkante Sie unschwer erkennen können. Der älteste Kernbau besteht aus ganz kleinformatigen Kalksteinblöcken recht unregelmäßiger Form, während der sich darüber auftürmende Pyramidenkörper aus deutlich größeren Blöcken besteht.

Aus einem Kernbau mit geböschten Wänden, rechteckigem Grundriß und flachem Dach entstand eine Stufenpyramide, indem über dem Kern schrittweise kleiner werdend ähnliche geböschte Baukörper aufgesetzt wurden. Der Eingang, der von Süden her unter die Pyramide führt, ist übrigens erst 2000 Jahre nach der Errichtung der Stufenpyramide angelegt worden, als in der Spätzeit das Interesse an dem uralten Bauwerk dazu führte, sein Innenleben zu erforschen. Der heute verschlossene Gang führt zu einem riesigen, senkrechten Schacht im Inneren der Pyramide, auf dessen Grund die aus Granitblöcken gefügte Sargkammer des Königs liegt, umgeben von mehreren Etagen kammartig verzweigter Gänge, in denen über 40 000 Steingefäße als Jenseitsausstattung für den toten König abgestellt waren.

Wir gehen nun nach rechts und biegen an der Südostecke der Stufenpyramide nach links um (Plan Nr. 7). Die untersten Lagen der ursprünglichen Verkleidung der Stufenpyramide mit polierten Kalksteinblöcken sind hier teilweise erhalten geblieben. Außerdem sehen Sie weiter eine Reihe von originalen Holzbalken, mit denen die verschiedenen, sich zwiebelschalenartig um den alten Kern legenden Erweiterungsphasen der Pyramide zusammengehalten wurden. Am Ende dieser Ostseite der Pyramide biegen wir nach links ab und erblicken vor uns einen schräg nach links gekippten steinernen Kasten (Pan Nr. 8). Durch das modern eingesetzte Fenster auf der uns zugewandten Seite sehen Sie in seinem Inneren eine lebensgroße Sitzfigur des Königs Djoser, einen Abguß des hier gefundenen Originals, das heute im Museum in Kairo steht. Eigenartig ist die Kippung der Statue nach hinten. Sie wird verständlich, wenn wir diesen Statuenschrein von vorn anschauen. Durch zwei kreisrunde Löcher kann die Statue nach außen blicken, schräg hinauf zum Himmel, und zwar in einem Blickwinkel, der auf den Polarstern weist. In den Pyramidentexten heißt es, daß der verstorbene König sich mit den Sternen vereinigen möchte, die niemals untergehen, mit den Zirkumpolarsternen also.

Der fast völlig zerstörte Tempelkomplex, der sich auf der Nordseite der Pyramide an diesen Statuenschrein anschließt, diente dem Totenkult des Königs. Inmitten seiner Ruinen führt eine Rampe schräg nach unten zum eigentlichen Eingang zur Sargkammer. Dieser Eingang ist stark einsturzgefährdet und deshalb heute nicht mehr zugänglich.

Wir gehen zurück an der Ostecke der Pyramide vorbei auf eine Wand zu (Plan Nr. 9), an die eine Halbsäule angesetzt ist, eine Säule ganz besonderer Form. Ihr Kapitell ist eine Papyrusdolde, der Säulenschaft ahmt in Form und Querschnitt einen Papyrusstengel nach, und auch das untere Ende des Schaftes ist eine Nachahmung des leicht eingezogenen Pflanzenstengels. Diese Papyrussäule ist das älteste Exemplar ihrer Art, der Prototyp für eine der beliebtesten Säulenformen der altägyptischen Architektur. Beim Blick nach links sehen wir an der Fassade der rechtwinklig sich anschließenden Wand wiederum Halbsäulen, die pflanzliche Formen nachahmen. All diese Architekturelemte sind in Stein umgesetzte Formen der Profanarchitektur aus Holz, Pflanzenstengeln, Matten und Nilschlammziegeln. Sie bilden eine dauerhafte, ewige Residenz des verstorbenen Königs. Eine Residenz allerdings, die nicht wirklich benutzt werden kann, denn die Gebäude, vor deren Fassaden wir hier stehen, sind nicht begehbar, haben keine Innenräume, sondern bestehen mit Ausnahme einer Nische hinter ihren Türen aus massiven Steinhaufen. Diese Scheinarchitektur setzt sich nach Süden fort, wenn wir an der Ostseite der Pyramide zurückgehen. Gleich beim nächsten Scheinbauwerk biegen wir nach links um (Plan Nr.10) und betreten den kleinen Raum hinter der Tür. Auf seinen Wänden stehen - von Glasplatten geschützt - Besucherinschriften, die hier um 1450 vC also 1000 Jahre nach Errichtung der Stufenpyramide, angebracht wurden. Die Stufenpyramide war schon damals eine Touristenattraktion und galt als eines der altehrwürdigen Denkmäler des Landes, zu dem man von weit her pilgerte.

Nun führt uns der Weg weiter nach Süden, aber nicht nach rechts an der Südostecke der Pyramide vorbei in den großen Hof, sondern leicht nach links in einen länglichen Hof (Plan Nr. 11), der beiderseits von hochaufragenden Kapellen gesäumt wird. Beide Kapellenreihen sind - wie der ganze Gebäudekomplex um die Stufenpyramide - zu einem großen Teil moderne Rekonstruktionen, in die zahlreiche antike Originalteile eingebaut sind.

Die Kapelle gleich links ist eine steinerne Nachahmung eines Bauwerks aus Nilschlammziegeln. Die Kapellen der rechten, westlichen Hofseite sind die Umsetzung leichter Zeltarchitektur in Stein. Zwei Bauformen, die typisch sind für Unter- bzw. Oberägypten und die somit als Heiligtümer der Götter aus den beiden Landesteilen dem König sein ganzes Reich für alle Ewigkeit zur Verfügung halten.

Am Südende des Hofes befindet sich ein freistehendes Podest (Plan Nr. 12), zu dem zwei Treppchen empor führen. Auf ihm standen unter Baldachinen zwei Thronsessel für den verstorbenen Herrscher in seiner Eigenschaft als König von Ober- und Unterägypten. Hier sollte er auf ewig sein Regierungsjubiläum feiern, zu dem sich die Götter des ganzen Landes in ihren Kapellen rings um den Hof einfanden. Unfertig gebliebene Statuen des Königs, die heute gegenüber diesem Podest aufgestellt sind, zeigen den König im knielangen Jubiläumsgewand.

Alle Bauten, die die Pyramide umgeben, kann man als eine monumentale Bühne bezeichnen, auf der symbolisch die ewige Herrschaft des Königs gespielt werden soll. Dabei war es unwesentlich, ob dieses Spiel auch wirklich zelebriert wurde. Es war Wirklichkeit durch den in Stein verewigten architektonischen Rahmen.

Wir verlassen den Hof nach links (Plan Nr. 13) in Richtung der Eingangskolonnade, die wir an den schräg gestellten Türen des Eingangstores erreichen. Nach links führt uns der Weg wieder hinaus auf den Vorplatz, wo unser Rundgang begonnen hat. Mit dem Komplex der Stufenpyramide des Djoser haben wir nicht nur die älteste Architektur Altägyptens kennengelernt, sondern auch den Ausgangspunkt einer großen Architekturtradition, die über den Höhepunkt der Pyramiden von Giseh auf Jahrtausende fortwirken wird.

Von den Gräbern der Zeitgenossen des Djoser, die rings um die Pyramide gelegen haben müssen, ist bis heute noch wenig bekannt. Sie harren der Ausgrabung. Aus der späteren Geschichte von Sakkara wollen wir uns nun einige Beispiele ansehen.

Vom Vorplatz der Djoser-Pyramide aus folgen wir dem Weg, auf dem wir hergekommen sind bis zu der Abzweigung, von der aus die Asphaltstraße hinunter ins Tal führt. Wir gehen jedoch geradeaus weiter auf die Pyramide des Teti zu, die vor uns liegt wie ein von Natur entstandener flacher Schutthügel. Wenn Sie hier ein wenig anhalten, sehen Sie unmittelbar links die kleine Pyramide des Königs Userkaf, des ersten Königs der 5. Dynastie, der als Begründer dieser Dynastie sich um 2450 vC vielleicht ganz bewußt an hier sein Grab erbauen ließ; an einer Stelle, an der 200 Jahre zuvor der erste monumentale Steinbau, die Stufenpyramide des Djoser, entstanden war.

 

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Teti-Pyramide

Wir gehen weiter nach Norden auf die Teti-Pyramide zu und kommen dabei an eine Kreuzung, deren Wegweiser nach links zum Grab des Ti, zum Grab des Pta-hotep und zum Serapeum weisen, während nach rechts der Weg zu den Gebäuden der Altertümerverwaltung abzweigt. Wir gehen aber geradeaus der Beschilderung "Pyramid of Teti" und "Tomb of Mereruka" nach bis zum Ende des Weges an einem kleinen Parkplatz und einem Wächterhäuschen direkt am Westfuß der Teti-Pyramide. Um 2350 vC ist sie von König Teti, dem ersten Herrscher der 6. Dynastie errichtet worden. Ihre Kalksteinverkleidung ist heute längst verloren gegangen, wohl als Baumaterial abgetragen und wiederverwendet. Nur der Pyramidenkern ist bis heute als fast gestaltloser Hügel erhalten.

Der Felsgrund, auf dem die Pyramide errichtet wurde, liegt erheblich tiefer als unser gegenwärtiger Standort. Wenn Sie von diesem Parkplatz nach Norden hinunter auf eine Grabfassade zugehen, dann erreichen Sie das Niveau, auf dem die Pyramide eigentlich aufsitzt. Hier unten biegen wir nach rechts ab und kommen nach einem kurzen Wegstück in der Mitte der Nordseite der Pyramide zum Eingang in ihre inneren Räume. Steigen Sie den schräg abfallenden Stollen hinunter und gehen Sie durch den anschließenden waagerechten Gang bis in den ersten größeren Innenraum der Pyramide.

Wenn Sie von hier noch einmal zurück in Richtung Eingang blicken, dann sehen Sie ganz deutlich, daß auf Ihrem Weg in diesen Raum gewaltige Fallsteine aus Granit angebracht sind. Sie waren ursprünglich in Hohlräumen über dem Zugang zur Pyramidenkammer senkrecht aufgestellt, von Holzbohlen unterstützt in der Schwebe gehalten worden und konnten nach vollzogener Bestattung herunter gelassen werden. In dem Raum, in dem Sie nun stehen, fällt Ihnen auf, daß die Wände dicht mit Hieroglyphen bedeckt sind, die in senkrechten Zeilen geschrieben, in versenktem Relief gearbeitet und mit blauer Farbe ausgefüllt sind. Es sind die sog. Pyramidentexte, die eine Generation vor König Teti unter dem König Unas erstmals die Innenräume der Pyramiden schmückten.

Der Inhalt dieser Texte beschäftigt sich mit der Verklärung des irdischen Königs mit einem göttlichen Wesen und berichtet u.a. von seinem Aufstieg von der Erde zum Himmel. Ein ganz kurzer Ausschnitt mag dies verdeutlichen:

"Geöffnet sind die Doppeltüren des Horizonts, entriegelt sind seine Riegel, Wolken verdüstern den Himmel, die Sterne regnen herab, die Sternbilder schwanken, die Gebeine der Höllenhunde zittern, die Türsteher schweigen, wenn sie diesen König als Seele heraufkommen sehen. Es fliegt, wer da fliegt, dieser König fliegt fort von Euch Ihr Sterblichen, er gehört nicht der Erde, er gehört dem Himmelszelt. Er schlägt mit seinen Flügeln wie der heilige Vogel, er fliegt zum Himmelszelt, er fliegt zum Himmelszelt mit dem Wind, mit dem Wind."

Gehen Sie nach rechts durch die niedere Tür in den anschließenden Raum. Und da klingt, wenn Sie hinauf zu dem giebelförmigen Dach schauen, dieses Thema des Himmels, zu dem der König als Toter aufsteigt, wieder an. Denn die Decke ist bedeckt mit den Sternen des Himmels. Unter diesem Himmelszelt wohnt der verstorbene König, wohnt hier in einem doppelten Sinn. Einmal als Verstorbener, als Mumie in einem gewaltigen Sarkophag aus Basalt, dessen Deckel von Grabräubern an der Ecke aufgebrochen wurde, und dann als verklärter, auferstandener Toter in einer Nachbildung seines Palastes. Denn der Teil dieser Sargkammer, in der der Sarg steht, ist nicht mit Text bedeckt. Seine Wände zeigen vielmehr das Muster von Mattengeflecht und Teppichmustern, eine Nachahmung der Auskleidung der Gemächer des königlichen Palastes. In dieser Doppelwelt einerseits einer für die Ewigkeit bewahrten irdischen Architektur, andererseits aber einer ganz neuen Welt, einer himmlischen Welt am gestirnten Himmel, möchte der König sein ewiges Leben zubringen.

Heute mag dieser gestirnte Himmel vielleicht ein klein wenig bedrohlich auf Sie wirken, denn Sie können ganz eindeutig feststellen, daß die giebelförmig versetzten Blöcke unter dem gewaltigen Gewicht der über ihnen lastenden Pyramide abgesackt sind und sich nicht mehr in ihrer ursprünglichen Position befinden. Daraus erklärt sich auch, daß die Texte an der Stirnwand dieses Raumes teils von Deckblöcken überschnitten und verdeckt werden.

Gehen Sie nun zurück in den Vorraum und vor dem undekorierten dritten Innenraum nach links durch den waagerechten und dann aufsteigenden Stollen an den herabgesackten Verschlußplatten vorbei wieder hinaus ins Freie; dort nach links bis zum Eingang der großen glatten Grabfassade, die vorher schon unser Richtpunkt war. Hinter dieser Grabfassade dehnte sich eine in regelmäßigen, sich rechtwinklig schneidenden Straßen angelegte Gräberstadt aus. Es war der Hofstaat des verstorbenen Königs, der auch nach dem Tod seinen König begleitete, also eine Übertragung irdischer Verhältnisse in den Friedhof, ins Jenseits.

 

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Grab des Mereruka

Das Grab, das wir nun betreten wollen, das Grab des Mereruka, gehörte dem bedeutendsten Beamten unter König Teti, dessen Pyramide wir gerade verlassen haben. Mereruka, er ließ sich wohl lieber mit seinem Kurznamen, mit seinem Spitznamen Meri rufen, war Oberrichter und Vesir und darüber hinaus Aufseher der Totenpriester an der Pyramide des Teti. Er lebte zu Zeiten dieses Königs und hat diesen wohl überlebt.

Wir betreten das Grab und stehen in einem Eingangsraum, dessen Wand gegenüber der Eingangstüre von einer großformatigen Reliefszene eingenommen wird (Plan Nr. 1 des Mereruka-Grabes). Der obere Teil der Szene ist zerstört, aber Sie werden keine Schwierigkeiten haben, in der linken Hälfte der Wand über einem Wasserstreifen, in dem Fische zu erkennen sind, ein Boot zu identifizieren, in dem in weitem Ausfallschritt Mereruka, der Besitzer des Grabes, steht. Nur seine Beine sind erhalten, vor ihm steht in kleinem Maßstab seine Frau, die eine Lotusblüte an ihre Nase hält. Rechts schließt sich ein Papyrusdickicht an, in das die Wasserfläche eingreift, auf der das Boot schwimmt.

Die Wasserfläche ist mit Fischen gefüllt, zwei besonders große Fische - senkrecht nach oben schwimmend - werden von der Harpune durchbohrt, die Mereruka, dessen Figur ja links steht, ins Wasser stößt. Rechts unten vor dem großen Boot des Mereruka zwei kleinere Szenen: die Nilpferdjagd. Jäger sind in kleinen Booten dargestellt, von denen aus sie mit Harpunen die Nilpferde jagen, die sich mit weit aufgerissenem Rachen gegen die Angreifer zu wehren versuchen. Links davon ein Krokodil, zwischen den beiden befindet sich ein Gebüsch. Und wenn Sie ganz genau hinschauen, dann finden Sie in diesem Gebüsch allerhand Getier. So sitzen obenauf zwei überdimensionale Heuschrecken und weiter unten werden Sie bald zwei Frösche ausfindig machen können.

Was soll diese Jagdszene in den Papyrussümpfen am Rande des Nilflusses im Eingangsraum eines Grabes, also an einer ganz besonders wichtigen, herausragenden Stelle? Der Sinn dieser Szene ist ganz einfach. Der Besitzer des Grabes ist hier dargestellt, wie er als Jäger in der chaotischen, in der ungeordneten Welt Ordnung schafft, wie er die wilden Tiere erlegt, die Nilpferde durch seine Jäger, durch seine Bediensteten erstechen läßt und selbst die Fische im Wasser mit der Harpune erlegt. Der Herr des Grabes ist ein Ordnungsfaktor in der Welt, er stiftet Ordnung im Chaos und steht damit repräsentativ für die Rolle des Menschen in der Welt, der den göttlichen Ordnungsauftrag in tägliche Realität umsetzt.

Diese Thema wiederholt sich in gewisser Weise auf der gegenüberliegenden Wand, also der Wand neben der Eingangstür (Plan Nr. 2). Dort sehen wir Mereruka nun nicht beim Fischfang, sondern beim Vogelfang mit dem Wurfholz, wiederum von einem Nachen aus, wiederum von seiner Frau begleitet. Und genau wie auf der gegenüberliegenden Wand sind im Wasserstreifen unter dem Boot zoologisch ganz genau die verschiedenen Fische geschildert, die im Nil leben. Ein klein wenig weiter nach links vor dem Boot wieder ein kleines Begleitboot, darunter Krokodile und Nilpferde. Rechts davon ein Nilpferd, das ein Krokodil mit seinem weit aufgerissenen Rachen gepackt hat. Links daran anschließend ein Nilpferd, das sich gerade anschickt, ein Junges zu werfen. Aber dazu soll es nicht kommen, denn ein Krokodil lauert hinter ihm auf und schnappt bereits nach dem Kopf des eben geboren werdenden Jungtieres.

Der Wasserstreifen setzt sich auf dieser Wand noch bis in die Ecke fort, und da erkennen Sie kurz vor der Wandecke eine Viehherde, die durch eine Furt, also durch einen Flußarm, zieht. Die Hirten fahren in einem kleinen Boot vorab, einer von ihnen hat ein Kälbchen an einer Leine.

Wir verlassen nun diesen Raum durch die Türe diagonal gegenüber vom Eingang. Der anschließende kleine Raum führt uns gewissermaßen in die Wohnung, in die Jenseitswohnung des Grabherrn. Von hier aus wird sich eine ganze Reihe von Räumen anschließen, und von einem Raum zum anderen weitergehend, werden Sie feststellen, daß wir in einer riesengroßen Villa, in einer Bungalowanlage für den Verstorbenen sind, in einem luxuriösen Wohnhaus mit vielen Einzelräumen, Hallen und Gängen.

Auf der echten Wand dieses Raumes (Plan Nr. 3) sind in mehreren Bildstreifen - in sog. Registern - übereinander kleinformatige Szenen angebracht. Fangen wir ganz unten an. Im untersten Bildstreifen sind Zwerge damit beschäftigt, für den Verstorbenen, der am Ende dieser Wand in großer Figur zu erkennen ist, Schmuckstücke herzustellen. Sie brauchen nur genau hinzusehen, um festzustellen, wie diese stummelbeinigen Gestalten an Schulterkragen und Halsketten arbeiten. Unmittelbar darüber ist in einem Bildstreifen links eine Balkenwaage zu erkennen, auf der Edelmetall abgewogen wird. Rechts davon sitzen hintereinander gestaffelt je drei Arbeiter an einem Schmelzofen und fachen mit ihren Blasrohren die Glut an. Gleich rechts daran anschließend ein gebückt Stehender, der aus einem Schmelztiegel das flüssige Metall ausgießt. Ganz rechts, vor der Bruchstelle, am Boden kniend je zwei Arbeiter, die das Gold - wie es in der Inschrift heißt - "schlagen". Diese Beischriften geben uns ja immer genau die Verständnishilfe für diese Bilder. Das Goldschlagen bedeutet das frischgegossene Gold zu Blattgold auszuwalzen.

Im Bildstreifen darüber sehen wir immer wieder in einem schreinähnlichen Baldachin die Figur des Verstorbenen. Es sind Statuen, die ins Grab gezogen werden. Sie brauchen nur etwas genauer hinzuschauen, dann sehen Sie unter diesen drei im Baldachin stehenden Figuren einen Schlitten. Von dessen Kufe geht ein Zugseil aus, an dem er mit der Grabstaue des Verstorbenen ins Grab gezogen wird. Vor der linken der drei Figuren steht - sich ihr zuwendend, also sich gegen die Bewegungsrichtung nach rückwärts wendend - ein Totenpriester, der in beiden Händen ein Räuchergefäß hält. Er hebt den Deckel ab und empfängt die Statue des Toten mit Weihrauch.

Auf der gegenüberliegenden, also auf der linken Wand (Plan Nr. 4), befinden sich die unteren Reste einer groß angelegten Szene der Wüstenjagd. Die Jagdhunde des Mereruka sind losgelassen und stürzen sich auf wilde Tiere, die sich in den Stellnetzen verfangen haben, die Sie am rechten und linken Ende dieser Tierszene als Quadrate erkennen können. Achten Sie besonders auf die ganz kleinräumige Szene in der rechten unteren Ecke, wo in einem niedrigen Bildregister über den Jagdhunden, die die wilden Tiere anfallen, zwischen den Büschen der mit Steppenbewuchs bewachsenen Wüste Hasen und ganz rechts und ganz links außen je ein Igel, der aus seiner Höhle hervorkommt, dargestellt sind.

Gehen Sie geradeaus weiter in den nächsten Raum. Auf seiner langen, rechten Wand (Pan Nr. 5) betritt mit uns Mereruka den Raum. Der untere Teil seiner Figur ist erhalten geblieben. Er wird von seiner Frau begleitet, und hinter ihm marschieren seine Beamten. Vor ihm - also über die ganze rechte Wand hingedehnt - zeigt sich eine reisengroße Fischfang-Szene. Im untersten Bildregister das Schleppnetz, das mit Netzgewichten am Boden gehalten wird und mit Schwimmern an der Oberfläche. Im Netz ein buntes Gewimmel von Fischen, das Netz wird von beiden Seiten her von den Fischern an Land gezogen. Im Bildstreifen darüber sehen wir das Fischen mit Reusen, also mit spitz zulaufenden korbähnlichen Netzen. Am linken Rand dieser Szene - über dem linken Ende des großen Netzes des unteren Bildstreifens - ein kleines Boot, in dem ein dickleibiger Mann sitzt. Ein Diener reicht ihm eine Trinkschale an den Mund, in seiner Hand hält er, winzig klein, ein gebratenes Hühnchen.

Die Wand gegenüber (Plan Nr. 6) zeigt uns in dem einzig erhaltenen unteren Bildstreifen einen Blick auf die Amtsausübung des Wesirs. Ganz links unten zwei Schreiber, die ihre Schreibbinsen hinter das Ohr gesteckt haben und vor sich die Schreibpalette halten, auf der sie mit der Binse schreiben. Sie sitzen in einem schattigen Baldachin, der von Papyrussäulen getragen wird. Rechts hinter ihnen, gedemütigt am Boden kniend und nach vorne gebeugt, drei Steuerzahler, die sich also gewissermaßen beim Finanzamt eingefunden haben. Nicht ganz freiwillig, wie wir sehen, denn rechts schließt sich eine Szene an, wo einer der Steuerbeamten einen Zahlungspflichtigen, der gebückt vor ihm steht, am Nacken faßt, während ein anderer, rechts folgend, mit einem Stock, ja einem Prügel in der Hand sich anschickt, ihn zu verprügeln. Ganz offensichtlich ist er seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Ähnliche Prügelszenen schließen sich unmittelbar bis zu dem senkrechten Strich an.

Wir dringen nun weiter in das Jenseitshaus des Mereruka ein und gehen durch die schmale Rückwand des Raumes in den nächsten, einen querliegenden Raum (Plan Nr. 7). Er ist auf der linken Seite mit einem modernen Gitter abgesperrt, denn unmittelbar hinter dem Gitter öffnet sich - fast die ganze Breite des Raumes einnehmend - ein tiefer Schacht. Über diesen Schacht würde man die Sargkammer erreichen, die tief unter der Erde, aus dem gewachsenen Felsen herausgehauen, am Grund dieses Schachtes liegt. Dort steht der Sarg des Mereruka, in dem er bestattet war. Nach der Bestattung wurde der Schacht mit Schutt aufgefüllt und oben gepflastert, so daß sein Eingang unsichtbar blieb. Daß hier der kultisch wichtigste Punkt des Grabes lag, ergibt sich aus der großen Opferstelle unmittelbar über dem Schacht, der sog. Scheintüre, der steinernen Nachahmung einer differenzierten Türkonstruktion, durch die, so stellte man sich das vor, der Tote, durch den Schacht hochgestiegen, aus dem Jenseits ins Diesseits zurücktreten konnte.

Wir verlassen diesen Raum durch die dem Eingang gegenüberliegende Tür und betreten den größten Raum des Mereruka-Grabes, eine gewaltige Halle, deren Decke von sechs quadratischen Pfeilern getragen wird. Unser Blick wird sofort gefangengenommen von der dem Eingang gegenüberliegenden Nische, zu der ein Treppe hochführt (Plan Nr. 8). Vor der Nische eine Opferplatte, und aus der Nische heraustretend die Figur des Mereruka, die Figur des Besitzer des Grabes, des Wesirs und obersten Richters.

Mit einer fast beängstigenden Lebendigkeit tritt der Verstorbene, der hier um 2350 vC - mehr als 4000 Jahre vor unserer Zeit - bestattet wurde, aus dem Jenseits zurück ins Diesseits. An kaum einer anderen Stelle wird die Gedankenwelt, die hinter dem ägyptischen Totenglauben steht, deutlicher als hier in der großen Kultkammer des Mereruka: Der Glaube daran, daß die Toten nicht tot sind, sondern fortleben und jederzeit wieder ins Diesseits zurückkommen können. Rechts der Nische die Figur des Mereruka, die sich nach rechts wendet, also aus der Nische herauszukommen scheint, und links, symmetrisch dazu, wiederum die Figur des Mereruka, die nach links geht, hinein in eine breite Wand, die wir nun von der Nische aus nach links bis in die Ecke verfolgen wollen (Plan Nr. 9).

Vor Mereruka sind in drei Bildstreifen übereinander Szenen der Landwirtschaft angebracht, deren Sinn natürlich darin liegt, dem Verstorbenen die nötige Naturalversorgung für sein jenseitiges Leben zur Verfügung zu stellen. Da sind zunächst mehrere Gruppen von Rindern im untersten Bildstreifen, Ziegen im darüberliegenden, es folgen nach links im untersten Bildstreifen Szenen, in denen Hyänen - zum, Teil auf dem Rücken liegend - gemästet werden, darüber Ziegen am Boden angepflockt, mit Freßtrögen vor sich und im dritten Bildstreifen Langhornrinder am Boden liegend, denen Viehhirten das Futter buchstäblich ins Maul stopfen. Links anschließend eine großformatige Szene, die Mereruka zeigt, wie er von seinen beiden Söhnen gestützt wird. Interessant dabei: Das Aufstützen der Hände des Mereruka in den zusammengelegten Händen seiner Söhne. Ganz unnaturalistisch ist das gebildet, aber gerade in dieser stark vereinfachenden Darstellung wird der Vorgang des Gestütztwerdens ganz unmißverständlich sichtbar.

Am linken Abschluß dieser Wand der untere Teil einer großformatigen Szene. Oben erkennen wir die Unterschenkel und das Gesäß des, wie es scheint, am Boden hockenden Mereruka. Aber er hockt nicht am Boden, sondern in einem Tragstuhl, in einer Sänfte, denn unter ihm sind jeweils die Tragstangen zu sehen, die von sechs Dienern getragen werden. Unter dieser Sänfte, in dem schmalen Bildstreifen, sind die Hunde, und vor den drei Hunden eine Meerkatze, also die kostbaren Haustiere des Mereruka zu sehen, die ganz vorne und ganz hinten jeweils von einem Zwerg an der Leine geführt werden.

Die links anschließende Wand (Plan Nr. 10) wird von einer Reihe von Schiffsdarstellungen eingenommen. Das erste dieser Boote, also am rechten Abschluß dieser Wand, ist ein Ruderboot. Das zweite ein Segelboot, in dem wir allerdings auch Ruderer erkennen können. Ganz hinten am Heck hockt der Steuermann, die zweite Figur vor ihm, auf einem Stuhl sitzend, ist Mereruka selbst. Auch beim anschließenden dritten Boot bemerken wir Mereruka auf seinem Stuhl und den Steuermann. Auch hier wieder ein Segelboot mit Ruderunterstützung und schließlich ein weiteres Boot mit geblähten Segeln und in der vorletzten dieser Bootsdarstellungen die Matrosen, die am Mast hinaufklettern, während Mereruka stehend dargestellt ist. Rechts vom Mast, am Heck des Schiffes, eine Kajüte, in der gerade für Mereruka das Bett mit einer Kopfstütze bereitet wird.

Den linken Abschluß bildet ein Segelboot in voller Fahrt, auf dessen oberster Rahe eine Meerkatze zu erkennen ist. Die hier links anschließende Wand, die uns wieder zum Eingang zurückführt, trägt nur teilweise erhaltene Szenen der Bestattungsprozession des Mereruka, die zu Schiff stattgefunden hat.

Es würde zu lange dauern, auch noch die vierte Wand des Raumes zu beschreiben. Ihr Hauptthema ist der Ackerbau. Sie brauchen nur selbst ein klein wenig auf Entdeckungsreise zu gehen, und Sie sehen die Schnitter, die die Kornähren abschneiden, Sie erkennen die Feldarbeiter, die das gebündelte Korn wegtragen. Sie sehen auch die Tiere auf dem Dreschboden und die Frauen beim Worfeln des Getreides, wo der Wind die Spreu vom Weizen scheidet. Ganz am Ende dieser Wand verdient - bevor wir durch die anschließende Tür die große Kultkammer verlassen - die Dekoration der Türumrahmung besondere Beachtung (Pan Nr. 11).

Hier sind Kinderspiele dargestellt. Unmittelbar über der Tür links Kinder, die sich in einer kreisenden Bewegung um zwei, in der Mitte stehende Kinder herumbewegen. Rechts davon tanzende Mädchen mit langen Zöpfen, die in einem kugeligen Anhang auslaufen. Darüber die Darstellung von Ringkämpfen unbekleideter Buben. Warum diese so lebendig und diesseitsbezogene Szenen gerade unmittelbar neben der Nische, aus der der Tote aus dem Jenseits ins Diesseits zurücktritt, angebracht worden sind, entzieht sich unserer Kenntnis.

Wenn wir durch diese Tür in den nächsten Raum weitergehen, durch diesen in einen zweiten Raum, der links eine große, sorgfältig gearbeitete Scheintür zeigt und schließlich in einen dritten und letzten Raum, so ändert sich das Bild vollständig. Die sehr sorgfältig gearbeiteten, stark aus der Wand hervortretenden, plastisch wirkenden Reliefs der Räume, die wir bisher besuchten, sind hier abgelöst durch kleine Räume, deren Reliefdekoration überaus nachlässig ausgeführt ist. Man kann eigentlich gar nicht mehr von Relief sprechen, sondern es handelt sich um ganz einfache, eilig ausgeführte Ritzzeichnung. Der Grund für diesen offensichtlichen Unterschied in der Qualität der Reliefausführung und des Stils, also der künstlerischen Qualität, ist ganz einfach: Diese Räume gehören nicht mehr dem Mereruka, sondern - wie die Inschriften der Scheintüre zeigen - seinem Sohn Meriteti. Dieser Sohn hat noch am Anfang der 6. Dynastie, also lange nach seinem Vater gelebt und hat sich in diesem Anbau an das Grab seines Vaters bestatten lassen. Für eine sorgfältige Reliefausführung hat es in dieser Zeit nicht mehr gereicht.

Gehen Sie nun zurück in die große Sechspfeilerhalle. Gleich nachdem Sie sie betreten haben, wenden Sie sich nach rechts, gehen vorbei an der Statuennische, an der Wand mit den Viehhaltungsszenen und der Sänftenszene vorbei, die wir schon gesehen haben bis in die Ecke. Dort durch eine niedrige Tür in einen dunklen Raum und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit gleich wieder nach links durch einen undekorierten Raum in den nächsten Raum (Plan Nr. 12). Auf seinen beiden Längswänden sind in mehreren Bildstreifen übereinander Opferträger abgebildet, die Kleiderkästen, Vasen und Tische mit Schmuck und kostbarem Gerät herbeibringen. Die Konzentration der Szenen dieses Raumes auf die Darbringung von Opfern hängt damit zusammen, daß im Grabteil in der hintersten anschließenden Ecke nebeneinander vier Magazinkammern liegen, in denen die Opfergaben für den Verstorbenen abgelegt und aufbewahrt wurden.

Wir verlassen diesen Raum an seinem anderen Ende und kommen in ein querliegendes Zimmer (Plan Nr. 13), dessen rechte Schmalwand von einer großen Scheintür eingenommen wird. Über ihrem Türschlitz ist in einem rechteckigen Bildfeld Mereruka vor dem Opfertisch dargestellt, auf dem - sehr stilisiert wiedergegeben - die Fladenbrote aufgestellt sind. Auf den Türpfosten, die zur Türnische gestaffelt sind, und an deren unterem Ende Mereruka stehend abgebildet ist, ist die lange Reihe seiner Amts- und Ehrentitel aufgezeichnet. Wenn Sie auf diese Scheintüre blicken, dann sehen Sie auf der linken Wand ganz hinten den sitzenden Grabherrn, neben seinen Füßen kleinformatig seine Frau. Im Bildregister unter seinen Füßen, das sich über die ganze Wand hinzieht, wiederum Opferträger.

Hier sollten Sie auf Detailsuche gehen. Besonders interessant von der künstlerischen Gestaltung, von der Variation ein- und desselben Grundmotivs her gesehen, sind die Opferträger, die Kästen mit Vögeln bringen. Gruppen von vier oder fünf Vögeln sind hier abgebildet, immer in neuen Kompositionen. Wenn Sie weiter nach links gehen, sehen Sie zwei Opferträger, die an einem Strick am Arm ein Kistchen tragen, in dem jeweils ein Igel herbeigebracht wird.

Die rechte Wand - rechts wenn Sie auf die Scheintür blicken - beginnt unmittelbar neben der Scheintür wieder mit einer Figur des sitzenden Grabherrn an einem Opfertisch. Über dem Tisch die Opferliste, in der die einzelnen Opfergaben buchhalterisch genau aufgeführt sind und mit Mengenangaben bezeichnet werden und davor, wie auf der gegenüberliegenden Wand, die lange Reihe der Opferträger, die auch hier wieder Anlaß bietet, eine Fülle inhaltlicher und künstlerischer Details aufzuspüren.

Wir verlassen den Raum und sehen gleich beim Betreten des nächsten, sich nach links hinziehenden Raumes (Plan Nr. 14) rechts der Türe eine Öffnung in der Wand. Dahinter liegt die Statuenkammer, der sog. Serdab, in dem die Grabstatue des Mereruka aufgestellt war. Unter der Öffnung, die die Verbindung zwischen Serdab und davor liegendem Kultraum herstellt, ist eine Szene zu sehen, in der Vögel gemästet werden. Sie werden Details finden, wo den Vögeln Futterwürstchen in den Hals gestopft werden, so wie bei elsässischen Mastgänzen. Wenn wir diesen Raum durchqueren und an seiner Rückwand verlassen, befinden wir uns in einem Raum, durch den wir bereits am Anfang unseres Rundganges gekommen sind. Wir durchqueren ihn nur und verlassen ihn durch die Tür in der gegenüberliegenden Wand.

Der Vierpfeilerraum, den wir nun betreten (Plan Nr. 15), zeigt auf der Eingangswand, also gleich rechts von uns, eine Reihe interessanter Szenen. Wir gehen zunächst an dieser Wand entlang bis an ihr Ende in der Raumecke, um die Bilder betrachtend zur Tür zurückzugehen. Am hintersten Ende der Wand, in der Ecke, eine Szene, in der das Bett des Mereruka bereitet wird. Diener sind dabei, das Bettlaken glatt zu ziehen. Rechts auf der leicht ansteigenden Bettfläche die Kopfstütze, die altägyptische Form des Kopfkissens. Rechts anschließend, nur in seiner unteren Hälfte vorhanden, ein Bild, das Mereruka im langen Schurz zeigt, der von seiner Frau ins Schlafgemach geführt wird.

Rechts anschließend wieder das Bild des Bettes. Mereruka hockt, seinen linken Ellbogen auf ein Kissen stützend, auf der Bettfläche. Vor ihm seine Gemahlin, die mit ihren Fingern in die Saiten einer Harfe greift. Unter dem Bett befindet sich eine ganze Reihe von Kästen und Töpfen. Die Beischriften dazu besagen, daß es sich um Salbentöpfe und Schmuckkästen handelt. Es ist also die typische Ausrüstung des Schlafzimmers. Kein Zweifel, wir blicken in diesen beiden Bildern in das Schlafgemach des Grabherrn. Und Kosmetika, Schmuck, das Harfenspiel - die Musik also - sind das Ambiente des Vorspiels zur ehelichen Vereinigung von Grabherr und Gemahlin. Für den Alten Ägypter hat zweifellos diese Szene einen ganz eindeutig erotischen Charakter.

Rechts zur Türe hin folgen dann flüchtig ausgeführte Reliefbilder von Opferträgern, die Kleiderkästen, Vasen und Kosmetika in das Schlafgemach tragen.

Wir verlassen diesen Raum wieder und biegen gleich nach links ab, durchqueren den folgenden Raum, den wir ganz am Anfang schon besichtigt hatten, gehen weiter in den davorliegenden und schließlich hinaus bis in den Eingangsraum, wo unser Rundgang durch das Grab begonnen hat.

Wir haben mit diesem langen Gang durch das Mereruka-Grab keineswegs alle Räume dieser Anlage besucht. Vom Eingangsraum zweigt noch ein besonderer Grabteil ab, in dem die Gemahlin des Mereruka mit Namen Watetchethor bestattet ist (Plan Nr. 16). Wenn Sie noch einen kleinen Abstecher dorthin machen wollen, die Tür zu diesem Grabteil liegt direkt links nach dem Haupteingang.

Wenn Sie beim Verlassen des Grabes von Mereruka - des größten und reichsten Privatgrabes von Sakkara - noch nicht genug haben, dann gehen Sie nach links. Hier schließen sich die Gräber des Kagemni und Anchmahor an. Unser Weiterweg führt wieder hinauf zum Parkplatz an der Westseite der Teti-Pyramide und weiter in Richtung Ti-Grab zunächst nach Süden bis zur Wegkreuzung.

An der Wegkreuzung biegen wir nach rechts ab, beschildert "Tomb of Ti", "Tomb of Tahotep", "Serapeum". Links folgt alsbald die stark zusammengefallene kleine Pyramide des Userkaf, des ersten Königs der 5. Dynastie. Sie können von der Straße aus sehr gut den Eingang ins Innere der Pyramide auf deren Nordseite erkennen.

Unser Zielpunkt ist eine kleine, oasenähnliche Anlage, das sog. "Mariette-Zelt", benannt nach dem großen Ausgräber Auguste Mariette, der zwischen 1850 und 1870 in Sakkara gearbeitet hat. Heute ist das Mariette-Zelt ein Tee- und CocaCola-Zelt, wo Sie rasten können (derzeit nicht in Betrieb).

Auf dem Vorplatz finden Sie einen nach rechts weisenden Wegweiser, "Tomb of Ti" - zum Grab des Ti. Unser Richtpunkt sind am Horizont die Pyramiden von Abusir.

Nach etwa 100 m sehen Sie links unten in einer Vertiefung, modern mit einem Betondach überdeckt, halbkreisförmig aufgestellt, Figuren von griechischen Philosophen. Diese Figuren, die dort in ihrer Antikenanordnung wieder errichtet worden sind, sind heute der einzig sichtbare Teil einer überaus umfangreichen Tempelanlage, die sich hier unter dem Wüstenboden ausdehnt, und die in der griechisch-römischen Zeit, also in den Jahrhunderten vor und nach Christus errichtet wurde. Anlaß zum Bau griechisch-römischer Tempel in dieser Gegend waren die großen unterirdischen Stier-Friedhöfe, in denen die Heiligen Stiere des Gottes Apis bestattet wurden. Der Eingang zu den Stier-Friedhöfen, die besichtigt werden können, liegt einige 100 m weiter westlich in der Wüste und stand ursprünglich durch eine Sphinx-Allee mit dem Fruchtland in Verbindung.

 

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Grab des Ti

Sie gehen weiter in Richtung Norden, Blickpunkt Abusir-Pyramiden, und kommen an einen Zaun. Er grenzt den Grabbezirk des Ti ein. Gehen Sie rechts am Zaun entlang bis zu seinem Ende, biegen nach links ab und kommen dort an eine Treppe, die zum Grabeingang hinunterführt.

Ursprünglich sind die hier gelegenen Gräber des Alten Reiches auf dem Wüstenplateau errichtet worden. Erst durch die Verwehung mit Sand und durch die Schuttmassen der ringsum wachsenden Tempel sind diese Gräber unter den Boden gelangt. So entspricht dieses Hinuntergehen zum Grab keineswegs den alten, ursprünglichen Verhältnissen, wo man zwischen den Gräbern wie in den Gassen einer Stadt hin und her wandern konnte.

Die Fassade des Ti-Grabes ist wie die Fassade eines feudalen Wohnhauses gestaltet. Ein schattiger Vorplatz wird von zwei Pfeilern getragen, dahinter liegt die Haustüre, die Türe zum Haus des Toten, also zum Grab. Sie betreten nach der Türe einen offenen Hof, der rings von Pfeilern umstanden ist, der schattige Hof eines vornehmen Hauses.

In der Mitte des Hofes (Plan Nr. 1 des Ti-Grabes) führt ein Schacht hinunter in die Grabkammer, Sie können dort hinuntergehen. Auf den Pfeilern des Hofes sehen wir, in versenktem Relief gearbeitet, die Figuren des Grabbesitzers namens Ti. Er war Oberaufseher der Pyramidentempel der Könige Neferirkare und Niusere im nahegelegenen Abusir sowie Priester in den Sonnentempeln verschiedenen Könige der 5. Dynastie. Er lebte in der zweiten Hälfte der 5. Dynastie, um 2370/2350 vC, hat also deutlich früher gelebt als Mereruka, aus dessen Grab wir gerade gekommen sind.

In der rechten, hinteren Ecke des Hofes führt eine Tür in die inneren Räume des Grabes. Auf der rechten und der linken Wand begleiten uns zunächst, in flachem Relief ausgeführt, Bildreihen von Opferträgern. Wir gehen durch eine Tür. Im schmalen anschließenden Raum (Plan Nr. 2) ist auf der linken Seite im zweiten Bildstreifen von unten die Darstellung des Statuentransportes zu sehen. . Links die Statue des Ti, die als Statue dadurch erkennbar ist, daß sie in reiner Profilansicht wiedergegeben ist, nicht wie alle anderen Figuren mit der Frontalansicht des Oberkörpers. Die Figur steht in einem Schrein, dieser Schrein ist auf einen Schlitten gestellt. Von der Schlittenkufe führen Zugseile durch die Hände der Zugmannschaften vor dem Schlitten.

Unmittelbar vor der Schlittenkufe sehen Sie einen sich rückwärts wendenden, gebückten Mann, der aus einem Gefäß Wasser ausschüttet. Eine ganz klar verständliche Darstellung: der Schlitten mit der schweren Statue des Grabherren wird auf einer mit Nilschlamm belegten Rutschbahn gezogen. Sie wird durch das Befeuchten mit Wasser glitschig gemacht, so daß sich ein niedriger Reibungs-Koeffizient ergibt, und auch schwere Lasten leicht befördert werden können. Mit dieser Transportmethode wurden z. B. auch die schweren Steine beim Pyramidenbau befördert.

Rechts anschließend in diesem Bildstreifen sieht man noch einmal den Statuentransport. Hier ist aber die Statue bereits mit den Schultern in Vorderansicht wiedergegeben, d.h. die kultische Belebung der Staue, die sog. Mundöffnung, hat bereits stattgefunden. In dem darüberliegenden Register sind Sitzfiguren des Ti zu sehen, die auf ihren Schlitten ins Grab gezogen werden, und vor deren einer, ein Priester, die Räucherung mit Weihrauch vollzieht, ganz ähnlich wie bei Mereruka.

Bevor wir durch die nächste Türe weitergehen, schauen Sie sich die Szenen über dem Türdurchgang an. Da sehen wir - von unten nach oben - zunächst zwei Bildstreifen mit Tänzerinnen, und darüber einen Bildstreifen mit einer Musikkapelle. In der Mitte zwei Harfenspieler, rechts und links Sänger, und ganz links außen ein Flötenspieler. Wenn wir durch diese Türe gehen, stehen wir im wichtigsten Raum des Grabes, in der Kultkammer. Ihr Dach wird von zwei quadratischen Pfeilern getragen, der Raum entspricht der Kultkammer mit ihren sechs Pfeilern bei Mereruka.

Die Wand gegenüber vom Eingang weist drei schlitzförmige Öffnungen auf. Sie stellen die Verbindung zu einer großen Statuenkammer - zu einem Serdab - her, in dem die Statuen des Verstorbenen aufgestellt waren. Wenn Sie auf den linken Schlitz zugehen und durch ihn hindurchschauen, sehen Sie in der Kammer noch eine der Statuen stehen (Plan Nr. 3); allerdings nicht das Original, das befindet sich heute im Museum in Kairo, sondern einen Gipsabguß.

Interessant sind die Reliefs rings um den Schlitz: beiderseits sind Priester dargestellt, die Weihrauchgefäße in ihren Händen halten. Die hieroglyphischen Beischriften lauten: "Weihrauch darbringen für Ti". Das ist eine ganz lebendige Darstellung dessen, was beim Opfer-Ritual für den Verstorbenen in diesem Raum wirklich vollzogen wurde. Man hat vor den Statuen, die als Ersatzkörper des in seiner Mumie tief unter der Erde in der Sargkammer Bestatteten dienten, das Opferritual durch Weihrauch und durch das Niederlegen von Opfern vor den Scheintüren vollzogen.

Diese Scheintüren, als der funktional wichtigste Teil des Grabes, befinden sich auf der rechts anschließenden Wand (Plan Nr. 4). Wir gehen aber noch einmal zurück zum Eingang dieses Raumes, um die Wand zwischen der rechten Scheintüre und der Eingangstüre zu besichtigen.

Das beherrschende Motiv auf dieser Wand (Plan Nr. 5) ist eine Szene im Papyrusdickicht. Ti steht, nach rechts blickend, in einem leichten Papyrus-Nachen, vor und hinter seinem Boot zwei weitere Boote, in denen sich Nilpferdjäger und Fischer befinden. Im Boot vor ihm eine Gruppe von Jägern, die mit ihren Harpunen die Nilpferde erlegen, die sich im Wasserstreifen unter den Booten aufhalten. Das vorderste der Nilpferde wendet seinen weit geöffneten Rachen zu den Jägern zurück. Das zweite Nilpferd hat ein Krokodil gepackt. Weiter nach links folgen Fische, ganz links zieht ein im Boot sitzender Fischer einen Wels aus dem Wasser.

Hinter Ti ragt hoch das Papyrusdickicht auf, und es lohnt sich, einmal einen Detailblick auf das bunte Leben und Treiben in den Kronen der Papyrusdolden zu werfen. Da schleicht rechts, am unteren Rand der Papyrusdolden, eine Ginsterkatze auf einem, sich nach links neigenden Stengel, um ein Nest mit drei Jungvögeln auszunehmen. Da sind, in Reihen übereinander geordnet, die verschiedensten, anatomisch genau geschilderten Vögel zu sehen und schließlich ganz oben die auffliegenden Vögel, zwischen denen Sie vielleicht auch einige Schmetterlinge erkennen können.

Die Bedeutung dieser dominierenden Szene ist mit der Bedeutung im Eingang des Mereruka-Grabes vergleichbar. Der Grabherr, wenn hier auch nicht selbst aktiv werdend, läßt durch seine Diener die wilden Tiere erlegen, und erfüllt damit die Ordnungsfunktion des Menschen in einem zunächst ungeordneten, chaotischen Bereich der Welt.

Im Bildstreifen darunter zieht eine lange Reihe von Opferträgern dahin. Unmittelbar rechts von der Szene im Papyrusdickicht mit der Nilpferdjagd folgt im unteren Register eine Viehherde, die durch eine Furt getrieben wird. Beachten Sie, wie die Wasseroberfläche durch eine feingekräuselte Musterung des Steines wiedergegeben ist. Ganz vorne in dieser Szene, also ganz rechts, trägt ein Rinderhirt ein Kälbchen durch die Furt. Darüber eine Herde von Widdern, die von Hirten über das Feld getrieben werden, um die Saat einzutreten. Rechts davon das Aufhacken des Ackerbodens. Darüber Szenen des Pflügens; Rinder ziehen einen einfachen Pflug, wie wir ihn heute noch auf den Feldern in Ägypten sehen können. Ganz rechts eine Melkszene und im darüberliegenden Bildstreifen Boote, von denen aus mit Reusen Fische gefangen werden. Und schließlich eine sehr bewegte Szene - das sog. Schifferstechen - wo zwei Mannschaften, von Booten aus mit langen Stangen versuchen, sich gegenseitig ins Wasser zu stoßen.

Ganz oben dann die Herstellung von Papyrusbooten, deren einzelne Stengel mit Schnüren zusammengezogen werden. Den Abschluß bildet eine Gruppe von Arbeitern, die das Rohmaterial für den Bootsbau herbeibringen: Bündel von Papyrusstengeln, die sie auf ihrem Rücken herbeitragen.

Gehen Sie nun an der Wand nach links an der Szene der Bootsfahrer im Papyrusdickicht vorbei, und sehen Sie sich die unmittelbar folgenden, niedrigen Bildstreifen an. Im unteren Bildstreifen, links von der Bootsfahrt, eine Herde von Langhornrindern, die von zwei Booten mit Hirten durch die Furt geleitet werden, im Wasser lauern rechts und links Krokodile. Im Bildstreifen darüber Szenen aus der Viehzucht, ganz rechts eine kalbende Kuh, ein Hirte leistet Geburtshilfe. Direkt links anschließend ein Hirte, der einem Kälbchen hilft, das sich in einem Busch verheddert hat. Noch weiter links eine Szene, in der ein Langhornrind gemolken wird. Links davon ein Kälbchen das sich zur Mutter umwendet, so als ob es protestieren wollte, daß ihm die Milch weggenommen wird.

Darüber der Fischfang mit dem Schleppnetz: Fischer ziehen das Netz, in dem sich allerlei Fische tummeln, auf beiden Seiten aus dem Wasser. Links davon die Weiterverarbeitung der Fische, wir sehen ganz deutlich, wie die Fische aufgeschnitten und auseinandergeklappt zum Trocknen ausgelegt werden.

In den oberen Bildstreifen dreht sich alles um den Vogelfang. Wir sehen auf der rechten Seite zwei Schlagnetze, das sind auseinandergeklappte Netze, die über einen Seilzugmechanismus zugezogen werden können sobald sich genügend Vögel in ihnen gesammelt haben. Darunter in hüttenähnlichen Bauten Arbeiter die damit beschäftigt sind, die eingefangenen Vögel in Kästen zu verpacken.

Ganz links am Wandende, über der Reihe der Opferträgerinnen, ein Bildstreifen, der zweigeteilt ist: am äußersten linken Bildende, zwei Zwerge - der eine mit einem Buckel - führen eine Meerkatze und zwei Hunde, die als besonders kostbare Tiere zum Haushalt des Ti gehören.  

Gehen Sie nun an der anschließenden Wand mit ihren beiden Scheintüren entlang zur gegenüberliegenden Wand (Plan Nr. 6). Im rechten Wandteil sitzt Ti am Opfertisch, so als ob er gerade aus der Scheintüre herausgekommen wäre. Über ihm sind die von ihm erwarteten Opfergaben in der in einzelne Kästchen aufgeteilten Opferliste namentlich und mit Mengenangaben aufgezeichnet, vor ihm türmen sich die Speisen und Getränke, auf und unter den Opfertischen. Von links kommen Opferträger auf ihn zu.

In den unteren Bildstreifen sehen wir die Schlachtungsszenen, bei denen die Fleischversorgung für den Verstorbenen vorbereitet wird. Mitten in diese Szenen ist der rechte der drei Schlitze eingelassen, die die Blickverbindung zur Statuenkammer, zum Serdab, herstellen.

Weiter links, unmittelbar rechts des zweiten Serdab-Schlitzes, eine Gruppe von Kranichen, links vom Scheintür-Schlitz Gänse, Enten, Tauben. Und im vierten Bildstreifen von unten nach oben gezählt, die Schreibstube des Ti, vor welche die ihm steuerpflichtigen Bauern herangebracht werden. Wir haben eine ähnliche Szene bei Mereruka gesehen. Die Schreiber im rechten Teil dieser Szene - am Boden hockend mit untergeschlagenen Beinen, vor sich die Schreibpalette, auf die sie schreiben und einen Kasten mit ihrem Schreibzeug - treten übrigens immer in Zweiergruppen auf. Doppelte Buchführung, oder auch die Zweizahl der Besetzung dieser Positionen als Maßnahme gegen die Bestechlichkeit der Beamten.

Noch weiter nach links, rechts des dritten Serdab-Schlitzes im zweiten Bildstreifen von unten, die Schreinerwerkstatt, Sie können ganz deutlich sehen, wie von senkrecht gestellten Balken Bretter abgesägt werden.

Darüber, im dritten Bildstreifen, Bildhauer bei der Arbeit. Sie sind mit der Herstellung von Standfiguren und Sitzfiguren beschäftigt, und rechts davon sehen wir zwei Arbeiter, die mit Steinbohrern Steingefäße herstellen. In der Abbildung allerdings sehen wir nicht die rohen Steinblöcke, sondern bereits die fertigen Gefäße, das Ergebnis der Arbeit ist also vorweggenommen.

Im darüberliegenden Bildstreifen Szenen der Schmelze, des Gießens und des Aushämmerns von Edelmetall, nahezu identisch mit den entsprechenden Szenen im Grab des Mereruka. Die Motive der links anschließenden Wand (Plan Nr. 7), die zum Eingang des Raumes zurückführt, beginnen in ihrem einzig erhaltenen unteren Teil mit Darstellungen des Bootsbaues, hier allerdings nun die Herstellung von hölzernen Booten, die mit dem Querbeil, dem Dexel, mit Äxten und mit Stemmeisen bearbeitet werden.

Den linken Wandteil nimmt eine vielfigurige Darstellung der Kornernte ein. Zählen Sie von unten nach oben die Bildstreifen durch, bis Sie zum 8. Bildstreifen kommen, wo die Darstellungen in ihrem Handlungsablauf beginnen. Im 8., 7. und 6. Register sehen Sie die Schnitter, die Ähren von den Halmen schneiden. Im 5. Register links wird ein Sack zugezogen. Rechts davon eine Eselsherde, auf die einige Hirten mit ihren Stöcken einprügeln. Im 4. Bildstreifen links ein störrischer Esel, bei dem einer der Hirten vergeblich versucht, ihn an einem seiner Vorderläufe wegzuziehen, rechts davon das Beladen der Esel mit den prallgefüllten Kornsäcken. Im 3. Register wird das Korn zu hohen Haufen aufgetürmt, und im 2. und 1. - im untersten Register - der Dreschboden, über den Langhornrinder und Esel zum Austreten des Getreides getrieben werden, und schließlich, ganz unten, das Worfeln, bei dem die Spreu durch den Wind von den Körnern geschieden wird.

Wir verlassen nun die Kultkammer, wenn Sie noch Lust dazu haben, dann werfen Sie einen Blick in den Raum zu Ihrer Linken (Plan Nr. 8), dessen Szenen Sie nun nach so vielen Detailbeobachtungen in der Kultkammer schon selbst zu lesen vermögen.

Über den Hof mit seinen Pfeilern gelangen wir wieder hinaus auf die Straße, die einst am Grab vorbeiführte und über die moderne Treppe hoch zum Wüstenplateau, wo wir uns nach rechts wendend zurück zum Mariette-Zelt begeben, das Sie auch erreichen, wenn Sie nach links gehen und noch einen kleinen Abstecher zum Serapeum machen, den Katakomben der heiligen Apis-Stiere.